Am Tatort der Umerziehung
Gibt es einen Zusammenhang zwischen politischer Einstellung und Bildungsbereitschaft?
Laut einer in der Fachzeitschrift Nature Human Behavior veröffentlichten Studie lehnen zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung "die Wissenschaft grundsätzlich und über mehrere Bereiche hinweg ab". Ein im internationalen Vergleich relativ hoher Wert, der aber nicht wirklich überrascht, zumal eine 2019 durchgeführte Spectra-Umfrage schon ergab, dass 28 Prozent unserer Landsleute an Telepathie, 19 Prozent an Hellsehen, 17 Prozent generell an Magie und je sieben Prozent an Geisterbeschwörung und Hexerei glauben.
Sehr wohl überraschend ist hingegen Michael Fleischhackers dazu im Magazin News geäußerter Befund: "Verbreitete Wissenschaftsskepsis ist ein Zeichen der gesellschaftlichen Reife." Eine Analyse, vergleichbar mit Erkenntnissen wie "Korkgeschmack beim Wein ist ein Zeichen der önologischen Qualität" oder "Schimmelbildung in Wohnräumen ist ein Zeichen von zu geringer Luftfeuchtigkeit".
Eine mögliche Erklärung, wie der Moderator des – so gesehen gesellschaftlich hochreifen – Senders Servus TV auf diese Idee kam, findet sich in der eingangs erwähnten Studie: "In Österreich stark ausgeprägt ist auch die Tendenz, Forscherinnen und Forschern gegenüber weniger Vertrauen auszusprechen, wenn Personen gleichzeitig angaben, im politischen Spektrum weiter rechts zu stehen." Eine Signifikanz, für die ich die Bezeichnung "Dagmar-Belakowitsch-Argwohn" vorschlagen möchte.
Politische Gesinnung
Aber nicht nur die politische Gesinnung befeuert laut Befragung die Wissenschaftsskepsis: "Auffällig in Bezug auf die Ergebnisse ist, dass in Österreich, Deutschland und der Schweiz das berichtete Vertrauen in die Wissenschaft statistisch signifikant anstieg, je höher das Bildungslevel der Befragten war." Das könnte wiederum erklären, warum staatliche Bemühungen im Bereich Bildung immer wieder als "links" kritisiert werden. So geschah es beispielsweise unlängst dem gesetzlich zu seinem Kultur- und Bildungsauftrag verpflichteten ORF. In einem Presse-Kommentar geißelte Christian Ortner die "politisch ideologische Schieflage" des Senders "in Richtung links/grün/woke", weswegen beim Zuschauer das Gefühl entstehe, "unauffällig ein wenig umerzogen zu werden", und machte diese These an einem bemerkenswerten Beispiel fest: "Wer sich den Tort angetan hat, über die Jahre und Jahrzehnte am Sonntagabend Tatort zu schauen, stößt auf ein in dem Kontext interessantes Phänomen – die Täter stammen in verblüffend hohem Maß aus etablierten, bürgerlichen Milieus, gern sind sie auch Unternehmer oder Manager."
Gibt es einen Zusammenhang zwischen politischer Einstellung und Bildungsbereitschaft?
www.derstandard.at