Ganz ehrlich, was soll ich mit so einer Aussage anfangen? "Für mich" heißt in dem Falle nichts anderes als "Meiner Meinung nach". Wir tauschen uns hier aus und schauen, wie sich alles entwickelt. Ich halte die Ägypter für eine Zurückgebliebene Zivilisation und zwar in jeder Hinsicht. Ich bin auch kein Humanist oder Pazifist, ich versuche die Gegebenheiten richtig zu deuten.
Ägypten ist auf jeden Fall ein zurückgebliebenes Land. Deswegen ist es, im Gegensatz zu Europa, eine Region auf die die Welt hoffen kann und von dem etwas lernen kann.
Und ich sage dir, dass so etwas ein Wunschdenken ist. Das Land und die Menschen sind moralisch und psychisch kaputt. Ein Diktator wird den nächsten ablösen. Nichts anderes wird stattfinden.
Die Grundvoraussetzung für diese geforderte Diskussionskultur ist ein wirtschaftlich stabiles Land, andernfalls steht eine einzige Alternative zur Verfügung, nämlich Chaos und Anarchie. Auch wenn ein Nasser gestorben ist, hat er die arabische Welt geprägt und auf sein Fundament kann man etwas aufbauen. Das gilt auch für Mustafa Kemal. Die Türkei ist eine Demokratie mit Abstrichen und ein Modell für die ganze rückständige arabische Welt, auch wenn es zurzeit in die andere Richtung geht, werden sich in der Türkei keine ägyptischen Verhältnisse etablieren. Warum? Weil es im Moment wirtschaftlich einfach stimmt. Wie ist es in Griechenland?
Alles Weitere ist dummes Geschwätz. Die einzige Alternative, die wir zurzeit haben ist die westliche Industrialisierung.
Ein Wunschdenken, und zwar ein völlig realitätsferne, ist zu glauben, dass die
westliche Industrialisierung eine Alternative sein kann. Ist wirklich unrealistisch zu denken, dass die Weltwirtschaft ohne eine Rationalisierung überleben kann. Und das ein Land wie Ägypten seine Probleme lösen kann, in dem man ein irrationales wirtschaftliches System übernimmt. Es ist überhaupt dieses System, das zu vielen der heutigen Problemen von Ägypten geführt hat.
Es ist ebenfalls ein Wunschdenken, das ein beleuchteter Diktator kommen wird, der die Probleme Ägyptens allein lösen wird. Es ist ein Wunschdenken, dass die Welt sich zum Besseren verändern kann, indem man an das Volk vorbei geht.
Zur wirtschaftlichen Stabilität: Vorsicht, da wirtschaftliche Stabilität politische Stabilität bringen kann, und politische Stabilität bringt die Rückständigkeit. Keine Sorgen aber, ich glaube nicht, dass die Türkei wirklich eine wirtschaftliche Stabilität hat.
Ansonsten, wie gesagt: über alles steht die physische Geographie. Stichwort Nachhaltigkeit. Das ist alles was zählt, sonst nichts.
Ich sehe nicht, wie die Türkei ein Modell für die arabische Welt sein kann. Wirklich nicht. Wenn du das für Griechenland meintest, könnte ich welches Verständnis zeigen, aber für die arabische Welt? Ich finde das eine völlig absurde Idee. Die klimatischen, landschaftlichen und soziologischen Bedingungen sind ziemlich anders. Und nicht vergessen, wenn Ägypten das türkische Modell folgen würde, müsste es erstmal eine ethnische Säuberung an allen ägyptischen Christen durchführen.
Die wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht Bildung und die damit einhergehende Diskussionskultur.
Nein, es ist umgekehrt. Die Diskussionskultur ermöglicht die Bildung und die Bildung kann eine wirtschaftliche Entwicklung in richtiger Richtung ermöglichen (wobei das auch schief laufen kann, wie im Fall von Europa - wirtschaftliche Entwicklung ist nicht unbedingt eine gute Sache).
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Im Vergleich zu anderen arabischen Ländern ist Ägypten relativ weit entfernt davon, ein Pulverfass zu sein. Die Bevölkerung ist sehr homogen und wird nicht von Stämmen oder verschiedenen Ethnien durchzogen wie es z.B. in Libyen, Jordanien, Palästina, etc. der Fall ist. Zwar gibt es großes Potenzial für Konflikte anderer Art, aber man sieht in der gesamten Geschichte Ägyptens, dass das Land und die Menschen vor direkten bürgerkriegsähnlichen Konflikten immer Abstand gehalten haben.
Eine Art Bürgekrieg findet aber jetzt schon statt. Immer wieder gibt es Gewaltausbrüche und auch Anschläge, bei denen Menschen sterben. Wenn das weiter geht, und ein Teil der Islamisten die Gewalt als die einzige Möglichkeit sieht, und so weiter mit Terror-Angriffen macht, kann man schon von einer bürgerkriegsähnlichen Situation sprechen.
Ansonsten gibt es natürlich auch die andere Gefahr: dass das Militär seine Macht behält und ausbaut, dass es zur Unterdrückung der Andersdenkenden und Oppositionellen kommt (Islamisten oder nicht), und das man praktisch zurück zu Mubarak-Ära ist.