Gentos
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Das Gewohnheitsrecht der Albaner war immer Ergänzungs- und Konkurrenzrecht zum jeweiligen staatlichen Recht. Das Strafrecht des KLD ist eine Mischform aus öffentlicher Justiz und Selbstjustiz. Als geschützte Rechtsgüter werden die körperliche und die seelische Integrität genannt. Bei der körperlichen Integrität wird nicht zwischen besserem und schlechterem Leben unterschieden, jeder Mensch hat den gleichen Wert. Drei verschiedene Delikte gegen Leib und Leben können begangen werden: Die vorsätzliche und die fahrlässige Tötung sowie die Körperverletzung. Wird jemand getötet oder verletzt, hat dies unmittelbare Konsequenzen für den Täter: seine körperliche Integrität wird nicht mehr geschützt. Bei der vorsätzlichen und fahrlässigen Tötung „fällt er ins Blut“ der Familie seines Opfers, dieses Phänomen ist als Blutrache bekannt. Bei der Körperverletzung erhält das Opfer die Möglichkeit, sich nach dem Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ zu rächen. Bei einer Ehrverletzung kann der Gekränkte zwar nicht Blutrache üben, da noch kein Blut vergossen worden ist, er wird jedoch den Täter töten wollen, da die geraubte Ehre nicht verziehen werden kann. So bleibt ihm nur der Griff zur Waffe. Bei einem Ehrverletzungsdelikt wird danach unterschieden, ob die persönliche oder die gemeinsame Ehre verletzt wurde.
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Der albanische Ausdruck für Gewohnheitsrecht ist Kanun. Kanun bedeutet Regel oder Norm. Im Kanun werden weite Teile des (Zusammen-)Lebens der Albaner geregelt. Es ist Strafrecht, Zivilrecht und öffentliches Recht in einem. In strafrechtlicher Hinsicht werden mit dem Kanun verschiedene Rechtsgüter geschützt, wie dies beispielsweise auch in unserem Strafgesetzbuch der Fall ist.
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Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die Regeln betreffend die Blutrache im Kanun nur einen ganz kleinen Teil darstellen.-
2.1.4 Kanuni i Lekë Dukagjinit (KLD)
Der Kanuni i Lekë Dukagjinit (Recht des Lek Dukagjini, abgekürzt KLD, oder auch Gesetz des Alexander Dukagjini genannt) stellt wie bereits erwähnt die weitaus bekannteste Zusammentragung des albanischen Gewohnheitsrechts dar. Dieses ursprünglich ungeschriebene Rechtssystem bestimmte die wesentlichsten Aspekte des Sozial- verhaltens in den abgelegenen und sonst gesetzlosen Gegenden Nordalbaniens. Als
mittelalterlicher Fürst, als Widerstandskämpfer gegen die vordringenden Osmanen und als Begründer eben dieses Gewohnheitsrechts ist Lek Dukagjini vor allem im Norden Albaniens bekannt, historisch lässt sich seine Figur nur schwierig fassen. Lek Dukagjini war ein Weggefährte von Gjergji Kastrioti Skanderbeg, er lebte von 1410 bis 1481, starb also etwas später als Skanderbeg. Umstritten ist, ob Lek Dukagjini der Urheber des Kanun ist oder ob er ihm lediglich den Namen gab. Heute wird auch die Theorie vertreten, dass keine bestimmte Person Autor dieses Kanun gewesen sein soll, sondern dass er aus der logischen Konsequenz bestimmter Lebensbedingungen entstanden sei. So kann es denn sein, dass Lek Dukagjini eine Erinnerungsfigur des kulturellen Gedächtnisses und nicht der Autor des Gewohnheitsrechts ist. Und trotzdem sagen die Menschen in Nordalbanien si tha Leka, ashtu mbet (wie Lek sagte, so bleibt es).
Das immer nur mündlich überlieferte Gesetzeswerk wurde erstmals vom Franziskanerpater Shtjefën Konstantin Gjeçovi (1874-1929) am Ende des 19. Jahrhunderts in eben der Version des Kanuni i Lekë Dukagjinit gesammelt und in der Folge in Teilen publiziert24. Die erste vollständige Publikation erschien 1933 in Shkodra (albanisch auch Shkodër, wichtigste Stadt Nordalbaniens und Hauptort der gleichnamigen Präfektur und des
gleichnamigen Verwaltungskreises). Die Publikation erfolgte durch andere Franziskanerpater, da Shtjefën Gjeçovi 1929 von serbischen Nationalisten ermordet worden war. Die teils von Gjeçovi, teils von seinen Erben geleistete Systematisierung teilt den KLD in zwölf Bücher mit verschiedenen Kapiteln und 1263 einzelnen Paragraphen ein. Buch 1 regelt die Stellung der Kirche in zivil- und strafrechtlicher Beziehung, die Bücher 2 bis 9
decken das Zivilrecht im weitesten Sinn ab (Familie, Heirat (Ehe), Hochzeit (Fest), Erbschaft, Haus (Haus, Vieh und Landgut), Handel, Ehre, Schäden), Buch 10 behandelt das Strafrecht, Buch 11 das öffentliche Recht (der Altenrat) und Buch 12 legt rechtliche Privilegien und Diskriminierungen sowie Bräuche bei Todesfällen fest25. Gelesen wurde das Werk Gjeçovis wohl erst 20 Jahre nach seiner Publikation, da die nordalbanische Gesellschaft bis ca. 1950 eine weitgehend schriftlose Gesellschaft war26.
Noch heute bestimmt der mündlich tradierte Kanun viele Bereiche des sozialen Lebens der Nordalbaner, er wurde sozusagen nach dem Sozialismus wieder entdeckt27. Die Kommunisten hatten den Kanun mit allen Mitteln bekämpft (1944/45 bis 1991). Doch auch dem kommunistischen Diktator Enver Hoxha war es nicht gelungen, den Geist des Kanun für immer zu vertreiben28. Nach dem Zerfall des sozialistischen Einparteienstaats in
Albanien im Jahre 1991 etablierten sich demokratische Prinzipien nur zögerlich im Land. Eine aktualisierte Form des KLD trat besonders im Norden an die Stelle fehlender staatlicher Strukturen.KLD = Kanun des Lek Dukagjini
Mehr dazu
http://www.ccfw.ch/egeler_barbara.pdf
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Der albanische Ausdruck für Gewohnheitsrecht ist Kanun. Kanun bedeutet Regel oder Norm. Im Kanun werden weite Teile des (Zusammen-)Lebens der Albaner geregelt. Es ist Strafrecht, Zivilrecht und öffentliches Recht in einem. In strafrechtlicher Hinsicht werden mit dem Kanun verschiedene Rechtsgüter geschützt, wie dies beispielsweise auch in unserem Strafgesetzbuch der Fall ist.
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Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die Regeln betreffend die Blutrache im Kanun nur einen ganz kleinen Teil darstellen.-
2.1.4 Kanuni i Lekë Dukagjinit (KLD)
Der Kanuni i Lekë Dukagjinit (Recht des Lek Dukagjini, abgekürzt KLD, oder auch Gesetz des Alexander Dukagjini genannt) stellt wie bereits erwähnt die weitaus bekannteste Zusammentragung des albanischen Gewohnheitsrechts dar. Dieses ursprünglich ungeschriebene Rechtssystem bestimmte die wesentlichsten Aspekte des Sozial- verhaltens in den abgelegenen und sonst gesetzlosen Gegenden Nordalbaniens. Als
mittelalterlicher Fürst, als Widerstandskämpfer gegen die vordringenden Osmanen und als Begründer eben dieses Gewohnheitsrechts ist Lek Dukagjini vor allem im Norden Albaniens bekannt, historisch lässt sich seine Figur nur schwierig fassen. Lek Dukagjini war ein Weggefährte von Gjergji Kastrioti Skanderbeg, er lebte von 1410 bis 1481, starb also etwas später als Skanderbeg. Umstritten ist, ob Lek Dukagjini der Urheber des Kanun ist oder ob er ihm lediglich den Namen gab. Heute wird auch die Theorie vertreten, dass keine bestimmte Person Autor dieses Kanun gewesen sein soll, sondern dass er aus der logischen Konsequenz bestimmter Lebensbedingungen entstanden sei. So kann es denn sein, dass Lek Dukagjini eine Erinnerungsfigur des kulturellen Gedächtnisses und nicht der Autor des Gewohnheitsrechts ist. Und trotzdem sagen die Menschen in Nordalbanien si tha Leka, ashtu mbet (wie Lek sagte, so bleibt es).
Das immer nur mündlich überlieferte Gesetzeswerk wurde erstmals vom Franziskanerpater Shtjefën Konstantin Gjeçovi (1874-1929) am Ende des 19. Jahrhunderts in eben der Version des Kanuni i Lekë Dukagjinit gesammelt und in der Folge in Teilen publiziert24. Die erste vollständige Publikation erschien 1933 in Shkodra (albanisch auch Shkodër, wichtigste Stadt Nordalbaniens und Hauptort der gleichnamigen Präfektur und des
gleichnamigen Verwaltungskreises). Die Publikation erfolgte durch andere Franziskanerpater, da Shtjefën Gjeçovi 1929 von serbischen Nationalisten ermordet worden war. Die teils von Gjeçovi, teils von seinen Erben geleistete Systematisierung teilt den KLD in zwölf Bücher mit verschiedenen Kapiteln und 1263 einzelnen Paragraphen ein. Buch 1 regelt die Stellung der Kirche in zivil- und strafrechtlicher Beziehung, die Bücher 2 bis 9
decken das Zivilrecht im weitesten Sinn ab (Familie, Heirat (Ehe), Hochzeit (Fest), Erbschaft, Haus (Haus, Vieh und Landgut), Handel, Ehre, Schäden), Buch 10 behandelt das Strafrecht, Buch 11 das öffentliche Recht (der Altenrat) und Buch 12 legt rechtliche Privilegien und Diskriminierungen sowie Bräuche bei Todesfällen fest25. Gelesen wurde das Werk Gjeçovis wohl erst 20 Jahre nach seiner Publikation, da die nordalbanische Gesellschaft bis ca. 1950 eine weitgehend schriftlose Gesellschaft war26.
Noch heute bestimmt der mündlich tradierte Kanun viele Bereiche des sozialen Lebens der Nordalbaner, er wurde sozusagen nach dem Sozialismus wieder entdeckt27. Die Kommunisten hatten den Kanun mit allen Mitteln bekämpft (1944/45 bis 1991). Doch auch dem kommunistischen Diktator Enver Hoxha war es nicht gelungen, den Geist des Kanun für immer zu vertreiben28. Nach dem Zerfall des sozialistischen Einparteienstaats in
Albanien im Jahre 1991 etablierten sich demokratische Prinzipien nur zögerlich im Land. Eine aktualisierte Form des KLD trat besonders im Norden an die Stelle fehlender staatlicher Strukturen.KLD = Kanun des Lek Dukagjini
Mehr dazu
http://www.ccfw.ch/egeler_barbara.pdf