Bundesliga schauen in Europas Fußballdörfern
Von Christian Eichler
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30. März 2009 WM-Qualifikation, das ist ein bisschen wie Rasenmähen. Oder der Besuch beim Zahnarzt. Muss halt ab und zu sein. Ohne Rasenmähen gäbe es keine lauschigen Grillabende. Ohne Zahnarzt könnte man irgendwann nicht mehr in die Bratwurst beißen. Und ohne WM-Qualifikation gäbe es keine WM-Grillabende im Juni 2010. Aber eigentlich ließe sich ein Samstag mitten in der Saison natürlich viel besser verbringen als mit Deutschland gegen Liechtenstein (siehe auch:
Fußball-Nationalmannschaft: Planerfüllung der deutschen Alltagsarbeiter).
Doch wir wollen nicht klagen. Denn die Reise über Europas Fußballdörfer, zu der uns die langwierige Selektion der WM-Teilnehmer zwingt, bietet zumindest ein bisschen Abwechslung. Zum Beispiel eine anregende Idee aus Belgien. Dort war die Nachfrage der bosnischen Zuschauer für das Qualifikationsspiel in Genk größer als die der belgischen Zuschauer. Also willigte man ein, dass Bosnier Tickets auch für den neutralen Teil des Stadions kaufen konnten, nicht nur für den abgeschirmten Gästeblock. Sie konnten das aber nicht über das Internet tun. Sie mussten persönlich nach Brüssel kommen und beim Ticket-Erwerb ein Formular unterschreiben, dass sie die belgischen Fans „respektierten“.
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Haben die Bosnier das Feuerwerk „absichtlich veranstaltet, um das Spiel zu beeinflussen”?
Bengalische Pause: „Das war ein Vorteil für die Bosnier“
Ein bisschen Bürokratie, schon hat man die Sache im Griff? Von wegen. Die Belgier hatten die Beweglichkeit der Bosnier wohl unterschätzt. Das Resultat der Aktion war jedenfalls „ein Heimspiel für Bosnien“, wie der belgische Spieler Steven Defour beklagte. Die Stimmungshoheit war auf Seiten der Gäste. Einige bosnische Fans nahmen es mit dem „Anfeuern“ etwas zu wörtlich, sie warfen bengalische Feuer aufs Feld, was zu einer achtminütigen Unterbrechung führte. „Das war ein Vorteil für die Bosnier“, jammerte der frühere Gladbacher Wesley Sonck. Der junge Kollege Gaby Mudingayi glaubte gar, die bosnischen Fans hätten das Feuerwerk „absichtlich veranstaltet, um das Spiel zu beeinflussen“.
So einfach soll man eine WM-Qualifikation schaffen: mit ein paar Böllern im richtigen Moment? Nein, nicht ganz. Die wahren bosnischen Kracher standen auf dem Platz. Sie kamen nicht aus dem bosnischen Block, sondern aus der deutschen Bundesliga. Beim 4:2-Auswärtssieg trafen Edin Dzeko und Zvjezdan Misimovic, beide aus Wolfsburg, und der Frankfurter Zlatan Bajramovic. Und dabei fehlten noch die beiden verletzten Hoffenheimer Ibisevic und Salihovic.
Ribéry, Frei, Gekas, Larsen - bekannte Namen treffen
Zum Thema
Hier noch ein paar Namen, die wir aus der Sportschau kennen. Franck Ribérys Direktschuss mit links zum 1:0 in Litauen hielt Frankreich im WM-Rennen. Alexander Frei erzielte das entscheidende 1:0 in Moldawien (Fernandes erhöhte in der Schlussminute auf 2:0). Damit schlossen Ottmar Hitzfelds Schweizer zu Otto Rehhagels Griechen in Gruppe 2 auf. Die schafften dank des früheren Leverkuseners Theofanis Gekas, heute Portsmouth, ein 1:1 in Israel (siehe auch:
Kompakt: Maradonas Enkel - Ribérys Treffer - Beckhams Bestmarke).
Beim 3:0 der Dänen auf Malta schaffte der frühere Schalker Sören Larsen (heute Toulouse), was bei jedem heutigen Schalker völlig abwegig wäre: zwei Treffer in einem Spiel. (Den dritten steuerte ein Spieler bei, dessen Name nach einem etwas frostigen Sommerurlaub im Norden klingt: Morten Nordstrand).
War doch gar nicht so schlimm beim Zahnarzt
Auch dass Ungarn in Gruppe 1 gemeinsam mit Dänemark an der Spitze steht, vier Punkte vor Portugal und Schweden, ist Verdienst eines Deutschland-Profis: Sandor Torghelle vom Zweitliga-Klub FC Augsburg. Er erzielte das einzige Tor beim 1:0 in Albanien. Und für den Oranje-Angriffswirbel beim 3:0 gegen Schottland, der den Vorsprung der Holländer auf acht Punkte nach vier Spielen erhöhte, hielten in bewährt hartleibiger Weise der Bayer Mark van Bommel und der Hamburger Joris Mathijsen den Laden zusammen.
Und so haben wir, wenn man genau hinschaut, an diesem Samstag dann doch dasselbe getan wie an jedem Samstag: Bundesliga gesehen. War doch gar nicht so schlimm beim Zahnarzt.
Christian Eichler ist auf den Fußballfeldern Europas zuhause. Für FAZ.NET fasst er in einer wöchentlichen Kolumne seine pointierten Betrachtungen zusammen.
Text: FAZ.NET
Bildmaterial: AFP, AP, ddp, REUTERS