„Wütender“ Starmer greift durch
Zwei Monate nach seinem Wahlsieg muss der neue britische Premierminister harte Entscheidungen treffen. Dass Rentnern der Heizkostenzuschuss gestrichen wird, führt zu Unmut in der eigenen Partei.
Es gibt ein Foto von dem Protest vor dem Parlament, am Mittwoch war es in mehreren britischen Zeitungen zu sehen. Proteste vor dem Parlament waren nichts Besonderes in den vergangenen Jahren, begleitet wurden sie meist von lauten Liedern aus riesigen Lautsprechern; aber seit dem Regierungswechsel vor zwei Monaten ist es leiser geworden am Parliament Square in Westminster. Und jetzt also, am Dienstag, waren da doch wieder Menschen mit Plakaten: „Save the winter fuel payment“ stand darauf. Lautsprecher hatten die vermeintlichen Demonstranten keinen, dafür trugen sie schicke Kostüme oder Anzüge. Auf dem Foto lächeln sie in die Kamera, kurz nach dem Entstehen des Bildes gingen sie hinein ins Parlament. Die Gruppe bestand fast ausnahmslos aus Abgeordneten oder Mitarbeitern der Konservativen.
Die Aktion wirkte wie Satire, gerade deshalb aber passte sie so gut zu den Geschehnissen dieser Woche in Westminster. Am Dienstag ließ die Labour-Regierung von Keir Starmer über eine Maßnahme abstimmen, die selbst in der eigenen Partei nicht gerade populär ist, aber jeglicher Protest war sinnlos. Labour wird im neuen Unterhaus von 404 Abgeordneten vertreten, die zweitgrößte Partei, die der Konservativen, kommt auf gerade mal 121. Die Mehrheit von Labour ist derart gewaltig, dass die Maßnahme mit einem Stimmenplus von 120 durchgewinkt wurde.
Der „Triple Lock“ besagt, dass die Rente jedes Jahr steigt
Es geht dabei um das sogenannte „Winter Fuel Payment“, einen an rund zehn Millionen Rentner in England und Wales ausgezahlten Heizkostenzuschuss von bis zu 300 Pfund pro Winter. Eingeführt wurde er von der Labour-Regierung von Tony Blair 1997, seit 2000 ist der Betrag trotz Inflation gleichgeblieben. Gestört hat sich daran kaum jemand, auch deshalb, weil Rentner in den vergangenen Jahren mehr von anderen Zuschüssen und Maßnahmen profitierten als alle anderen Gesellschaftsgruppen. Unter anderem gibt es den „Triple Lock“, der besagt, dass die Rente jedes Jahr steigt, und zwar entweder um 2,5 Prozent, um die Inflationsrate oder um den Anstieg des landesweiten Durchschnittseinkommens – je nachdem, welche Rate gerade die höchste ist. Weil zuletzt die Gehälter stiegen, wird die Rente ab April um 460 Pfund jährlich erhöht.
Die Entscheidung des neuen britischen Premiers, Rentnern den Heizkostenzuschuss zu streichen, ruft Grummeln in der eigenen Labour-Partei hervor.
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