Ist ein bisschen älterer Beitrag
Albaner Missionar Marjan Demaj besucht seine Diaspora-Gemeinde
Ein einziger Missionar für fast die halbe Schweiz
Sein Büro hat der Albanermissionar Don Marjan Demaj in Luzern. Gottesdienste feiert er in Luzern, Emmenbrücke, Sursee oder Willisau, aber auch in Goldau oder im Tessin, und jeden zweiten Monat im Wallis. Heute steht eine Taufe in Vétroz bei Sitten auf dem Programm des katholischen Priesters, der Albaner in acht Kantonen der Schweiz seelsorglich betreut.
Marjan Demaj wohnt in Reussbühl und hat sein Büro in Luzern. Doch verantwortlich ist er für die katholischen Albaner in acht Kantonen. Die vielen Reisen gehören zum anstrengenden Teil der Arbeit eines Missionars. Demaj, der einen eleganten Anzug über dem schwarzen Hemd mit Priesterkragen trägt, verkriecht sich in den Fond des grossen Wagens und überlässt das Steuer gerne seinem künftigen Nachfolger, dem 39-jährigen Priester Agim Qerkini, der in einigen Wochen Demaj als Albanermissionar ablöst und heute seinen Antritsbesuch im Wallis macht. Die Zeit drängt, denn die Tauffeier soll um halb fünf in der Pfarrkirche von Vétroz VS, einem Dorf unweit von Sitten, beginnen.
In der Schweiz leben etwa 20 000 katholische Albaner, meist stammen sie aus dem Kosovo. 6500 davon werden von der Luzerner Albanermission betreut, also von Marjan Demaj, Violeta Kola und Mrikë Sabedini. Von den 6500 leben ungefähr 5000 im Kanton Luzern, der Rest verteilt sich auf die übrige Zentralschweiz, das Tessin und das Wallis.
Während der Fahrt bietet Qerkini zusätz-liche Einblicke in die Auswanderungs-
geschichte der katholischen Kosovo-Albaner. Bald wird klar, in Vétroz trifft sich Stublla,
das kleine Dorf im Kosovo. Aus Stublla im
Kosovo kommen Demaj, Qerkini und die meisten anderen, die die Taufe mitfeiern werden. Stublla hat gegenwärtig noch 850 Einwohner, erzählt Qerkini. 2800 bis 3000 Menschen, die heute ganz woanders leben, hätten dort ihre Wurzeln.
900 Taufen in elf Jahren
Bei der Ankunft warten bereits die ersten Gläubigen vor der Pfarrkirche von Vétroz. Schliesslich werden etwa 100 Personen die Bänke der kleinen Kirche füllen: viele junge Familien mit vielen kleinen Kindern, auch etliche Schwangere. Graues Haar ist rar. Die Frauen gehen mit Säuglingen im Arm zur Kommunion; dort malt Demaj den Kleinen liebevoll ein Kreuz auf die Stirn.
Dann findet die Taufe statt, bei der sich zahlreiche Gläubige um den Priester drängen. «In den elf Jahren, seit ich hier Albanermissionar bin, habe ich ungefähr 900 Kinder getauft», hat Demaj am Vormittag in seinem Büro in Luzern erzählt. Jeden zweiten Samstag fänden Taufen statt; kürzlich gleich sieben aufs Mal. Don Demaj ist stolz auf den Kinderreichtum seiner Gläubigen und ihre Verbundenheit mit der Kirche: «Unsere Leute sind noch immer ganz gute Katholiken. Sie wollen zur Kirche gehen, kirchlich heiraten, ihre Kinder taufen lassen. Und auch Kinder haben.»
«Wir sind einander sehr nahe»
Nach der Messe gehts mit dem Auto zur Gewerbe- und Industriezone von Vétroz. Die Familie des Täuflings hat zu einem Fest in einem portugiesischen Restaurant geladen. Apéro für 100 Gäste, ohrenbetäubende Musik, ein Reihentanz zwischen den langen Tischreihen, eine deftige Mahlzeit mit viel Fleisch, ein Gabentisch, vor dem die Frauen mit ihren Geschenken Schlange stehen.
Demaj sitzt mittendrin und teilt den Abend mit den Menschen aus Stublla, die von überall her aus der Schweiz gekommen sind. Denn es wohnen nur wenige albanische Familien im Wallis. Diese besucht der Albanermissionar jeden zweiten Monat. Oft macht er auch Hausbesuche oder wird nach dem Gottesdienst zum Nachtessen eingeladen. Die Gläubigen erwarten von der Albanermission auch, dass sie mithilft, in der Fremde die albanische Kultur, Tradition und Sprache zu bewahren. Dann muss Demaj auch bei Streitigkeiten innerhalb der Familien vermitteln. Die Gläubigen hätten in der Schweiz «mehr Stress» als im Kosovo, findet er. Schwierigkeiten, die wegen der Auswanderung entstehen. «Es gibt Unterschiede innerhalb der Familien, Generationenkonflikte. Die kommen immer zu uns, wollen mit uns über Probleme sprechen. Es ist nicht einfach.» Unterdessen ist es 20 Uhr, und endlich wird der Hauptgang serviert. Demaj möchte eigentlich aufbrechen. Aber seine Landsleute lassen ihn noch nicht gehen. Heute ist er ja zum letzten Mal hier; bald wird er eine Pfarrei im Kosovo betreuen. Also bleibt der Missionar halt noch eine Stunde länger, spricht mit diesem und jenem, isst und trinkt und greift irgendwann sogar zum Mikrofon, um ein Lied zu singen. Bis wir wieder in Luzern ankommen, ist es kurz vor Mitternacht.
Barbara Ludwig/Kipa
20000 katholische Albaner
Kosovo war schon immer ein multiethnisches und multireligiöses Gebiet. Die Albaner bildeten seit Jahrhunderten die grösste Gruppe. Heute stellen sie 92 Prozent der kosovarischen Bevölkerung, fünf Prozent sind Serben. Rund 90 Prozent der geschätzten 2,15 Millionen Einwohner des Landes bezeichnen sich heute als Muslime, und etwa 60 000 oder drei Prozent sind katholisch. In der Schweiz leben nach Aussage von Marco Schmid von Migratio, der Fachstelle der Bischofskonferenz für Migration, rund 20 000 katholische Albaner. Diese werden von drei Missionszentren betreut, die in Luzern, Sirnach TG und Aarau ihren Sitz haben. Die älteste Mission ist diejenige von Luzern.