Wie auch die übrigen Entwicklungsindikatoren wies auch der Bildungsstand der Jugoslawen ein extremes Nord-Süd-Gefälle auf.
Im Zentralserbien gab es zwar ein flächendeckendes Grundschulnetz, doch fehlte es an Mittelschulen. In den 1912 hinzugewonnenen Gebieten ließ das Schulwesen am meisten zu wünschen übrig. Es gab überhaupt zu wenig Grundschulen und in den vorhandenen wurden die Minderheitensprachen nicht berücksichtigt. Da die muslimischen Albaner auch keine religiösen Schulen hatten, existierten fast keine albanischsprachigen Bildungsanstalten. Dementsprechend war die
Analphabetenrate in den südlichen Gebieten am höchsten. Hier konnten circa. zwei Drittel der Bevölkerung nicht lesen und schreiben. Die Vojvodina nahm bei der Entwicklung des Schulwesens einen besseren Platz ein. Hier unterhielten neben dem Staat die Kirchen (neben der römisch-katholischen und der serbisch-orthodoxen auch die protestantische) viele Schulen. Die Minderheitensprachen Deutsch und Ungarisch wurden nur in den privaten Schulen unterrichtet.
Mehr noch als in Slowenien war das Schulwesen in Kroatien Sache der Kirche. Zwar wurde auch hier das Schulnetz verdichtet, aber der Abstand zu Slowenien verringerte sich nicht. In Binnenkroatien lag die Analphabetenrate bei über 15 %, in Teilen Dalmatiens erreichte sie mehr als 25 %.
In Bosnien unterschied sich der Bildungsstand in extremer Weise nach der Religionszugehörigkeit. Am höchsten war er bei den Kroaten, denen ein in österreichischer Zeit ausgebautes Schulsystem der römisch-katholischen Kirche zur Verfügung stand, es folgten die Serben, während die Muslime das Schlusslicht bildeten, vor allem weil die große Mehrheit der muslimischen Mädchen überhaupt nicht zur Schule geschickt wurde.
Slowenien hatte 1918 bereits ein gut ausgebautes Schulsystem. Über 90 Prozent der Kinder besuchten eine staatliche oder kirchliche Grundschule. Die Analphabetenrate lag unter zehn Prozent. Nach dem Krieg wurde vor allem die Mittelschulbildung (Realschulen und Gymnasien) für die Slowenen verbessert, zum einen indem vorher deutschsprachige Schulen in Krain und der Steiermark zur slowenischen Unterrichtssprache übergingen, zum anderen gab es auch zahlreiche Neugründungen, die teils von der katholischen Kirche, teils vom Staat getragen wurden.