Kämpfen und Durchhalten im Kriegsalltag trotz hoher Verluste
Nicht nur im Donbass spitzt sich die militärische Lage weiter zu, sondern auch im russischen Kursk, das die Ukraine seit August teilweise kontrolliert. Ein Lagebericht aus der angrenzenden Region Sumy
Der Land Cruiser der 82. Luftlandebrigade prescht durch Dörfer, die wie ausgestorben wirken und stimmungstechnisch immer mehr dem Donbass ähneln, in denen kaum noch Zivilisten leben, sondern vor allem Mitglieder der ukrainischen Streitkräfte. Er kommt vor einem Bauernhof zum Stehen. Der Regen hat den schlammigen Boden aufgeweicht, die Räder bleiben hängen. Jedes Mal, wenn das Wetter so sei, denke man an die Kameraden, die gerade in den Schützengräben in der Kälte ausharren, erklärt ein Offizier der Brigade mit dem Rufnamen "Philosoph". "Jeder von uns kennt dieses Gefühl, die schweren Rucksäcke mit der Munition, die Schutzwesten, der Helm. Manchmal schleppen wir 40, 50 Kilogramm mit uns rum." Wäre der Regen nicht, könnte man auch mit dem Land Cruiser zu den Positionen fahren. An diesem Tag ginge das aber nur mit dem Stryker, einem Radschützenpanzer aus US-Produktion.
In einem Wald in der Nähe der russischen Grenze zur Oblast Kursk befindet sich die Position der 10. Kompanie der Brigade. Die Einheit von Kompanieführer "Sava" war eine der ersten, die sich an der Operation in Kursk im August beteiligten. Der 33-Jährige sitzt auf einem Schreibtischsessel im Inneren des Holzbunkers, vier Stockbetten, in der Ecke ein kleiner Ofen. Auf den Betten liegen Schlafsäcke, Medikamente, Waffen. Auf dem Schreibtisch Funkgeräte, eingepacktes Brot, Dokumente, Laptops – auf einem ist Youtube geöffnet mit Deep-House-Soundtrack. Man habe hier alles, was man so brauche, sagt Sava. "Aber im Krieg geht es um Geld und Ressourcen. Und irgendwas fehlt immer." An der Wand vor ihm hängen Kinderzeichnungen, manche noch von seinem Vorgänger. "Es wäre seltsam, sie abzunehmen", sagt Sava, der seit Ende 2022 kämpft. Davor hat er in Kiew als Ingenieur gearbeitet. "Ich tue das, damit mein Sohn nicht in den Krieg zieht. Ich möchte sicherstellen, dass mein sechsjähriger Sohn, wenn er 18 wird, nicht das tun muss, was ich nicht geschafft habe."
Nicht nur im Donbass spitzt sich die militärische Lage weiter zu, sondern auch im russischen Kursk, das die Ukraine seit August teilweise kontrolliert. Ein Lagebericht aus der angrenzenden Region Sumy
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