Eine Nachbarin berichtet: “Ich hatte schon mehrfach Anzeige gegen Mohamed Merah bei der Polizei gemacht”
http://sosheimat.files.wordpress.com/2012/03/mohamed21bb.jpgAls bekannt wurde, wer der Mörder von Toulouse und Montauban ist, hat es ihr “den Hals zugedreht”. Mohamed Merah ist nämlich genau der Mann, der vor zwei Jahren ihre Tochter sexuell belästigt hatte und auch versucht hatte, ihren noch minderjährigen Sohn zu “indoktrinieren”. Die Frau, die anonym bleiben möchte, ist bereit, “darüber absolut alles auszusagen.” Ihre schreckliche Schlussfolgerung: “Die Polizei hat alles gewusst.” Sie ist darüber “voll in Rage”, wie sie sich ausdrückt.
“Ich bin entsetzt. Es mussten erst so viele Leute sterben, bis man endlich gegen Mohamed Merah vorgeht und versucht ihn festzusetzen. Da ist doch einiges oberfaul…”. Von dieser Familienmutter, die in dem demselben Viertel wohnt, aus dem auch der Mörder von Montauban und Toulouse stammt, erfahren wir, dass “die Polizei alles über die Gefährlichkeit dieses Individuum und über seine Radikalität wusste.” “Ich habe zweimal Anzeige gegen Mohamed Merah erstattet und mich x-fach über ihn beschwert. Es war alles vergeblich.”
Einige weitere obskure Fakten über den Täter waren bereits zuvor in anderen Medien verbreitet worden, so etwa die Aussage einer Frau namens Malika, die von einem Vorfall im Jahre 2010 berichtete, als Mohamed Merah mit einer Kapuze verdeckt und einem Schwert in der Hand in Izards, einem Vororte-Viertel von Toulouse, erschien, die Leute bedrohte und
“Allahu Akbar” schrie. “Damals hat er uns auf diese Weise bedroht, das kann eine Zeugin namens Aisha [Name geändert] bestätigen. Das war auch der Tag, an dem Mohamed Мerah meine Kinder angegriffen hat.”
“Er zwang meinen Sohn, sich grässliche Videos anzusehen”
Am Tag zuvor war der Sohn von Aisha, damals 15 Jahre alt, von Mohamed Merah angesprochen worden. “Er saß mit ihm in seinem Wagen und bekam von ihm eine CD mit Rezitationen zu hören, wobei er meinem Sohn vormachte, es handle sich um Rezitationen aus dem Koran.” Tatsächlich handelte es sich dabei um Kampfaufrufe zum Dschihad. “Er fuhr mit meinem Sohn zu sich nach Hause, dort, wo er sich jetzt verschanzt hat. In seiner Wohnung hatte er einen riesigen Koran in seinem Wohnzimmer und an der Wand hingen mehrere große Schwerter. Er nahm eines davon herunter und ließ meinen Sohn dann Videos von Al-Qaida sehen.” Die Szenen waren “grässlich”. Frauen wurden mit einer Kugel in den Kopf hingerichtet, Männern wurde die Kehle durchgeschnitten. “Mein Sohn hat mich angerufen, als er endlich von dort wegkam. Er war von Mohamed Merah von 17 Uhr an bis Mitternacht in seiner Wohnung festgehalten worden…”.
“Die Mudschaheddin”
Aisha machte Anzeige, was Mohamed Merah nur zu Wutausbrüchen reizte. “Er kam bis vor unsere Wohnung und hat mich bedroht und geschlagen. Er sagte, ich sei Atheistin und würde dafür bezahlen müssen wie alle anderen Franzosen. Er wiederholte unaufhörlich, dass er ein Mudschahidin sei und als Märtyrer sterben wolle. Er würde die Erde auslöschen und zugleich alle jene, die gegen Muslime kämpften… Er sagte auch, dass er und seine Freunde meinen Sohn holen und dass ich dann nichts mehr von ihm sehen würde, auch wenn ich mir die Augen ausweinen sollte.” Zwei Tage später hätte sich Mohamed Merah neuerlich ihren Sohn vorgenommen und ihm vorgeworfen, dass er seiner Mutter alles erzählt habe. Aisha weiter: “Er schlug ihn, bis meine Tochter eingriff. Er versetzte auch ihr ein paar Hiebe. Es waren etliche Leute um uns herum, aber keiner hat eingegriffen.”
Diese Gewaltszenen (sie erinnert sich auch an einen Flash-Ball [eine Handfeuerwaffe für Hartgummigeschoße, wie sie die französischen Sicherheitskräfte verwenden], mit dem Mohamed Merah ihren Neffen bedrohte) hat Aisha “ganz genau in Erinnerung: “Die Kleider meiner Tochter waren zerfetzt und voller Blut, dann die Anzeige, der ganze Papierkram, Fotos und ärztlichen Gutachten…”
Eine “sehr detaillierte” Strafanzeige vom Juni 20
10
Aishas Anwalt, Maître Mouton, bestätigt, dass er eine “sehr detaillierte Strafanzeige” eingebracht habe. “Das war am 25. Juni 2010,” erklärt uns Aisha. “Ich habe mehrmals nachgefragt, aber man hat mir nie mitgeteilt, welchen Verlauf die Sache genommen hat”, fährt die Mutter fort. Der Anwalt, der “die Aufrichtigkeit seiner Klientin” unterstreicht, erklärt weiters: “Man hat meine Klientin zwar angehört, aber von einer nachfolgenden behördlichen Untersuchung oder sonstigen Folgemaßnahmen habe ich bis heute nichts gehört.”
Seit Aisha erfuhr, dass es sich bei dem Mörder von Montauban und Toulouse um Mohamed Merah handelte, war sie “entsetzt”. “Er hat uns mit dem Tod bedroht. Er deutete mir an, wie er mir den Hals abschneiden würde. Ich versuchte, meine Familie zu schützen, aber ich hatte natürlich Angst.” Sie erzählt weiter über Mohamed Merah. “Wenn man ihn trifft und ihn auf einen Kaffee einlädt, verhält er sich friedlich wie ein Lamm und man hat das Gefühl, man könne ihm volles Vertrauen schenken… Er hat zwei Gesichter. Er kann von einem Augenblick auf den anderen sein Verhalten ändern. Er kann ein Bier trinken und zwei Minuten später zu seinen Gebeten eilen.”
“Sein Bruder ist das Gehirn”
Ohne es zu wissen, bestätigt Aisha die Aussagen, die wir bereits zuvor Leuten aus dem Umfeld von Mohamed Merah erhalten hatten. Einer von ihnen aus einer Clique, die sich selbst die “Bens” bezeichnen, beschrieb uns “den Wechsel im Verhalten von Mohamed, nachdem eine Gruppe von Extremisten in unserem Viertel aufgetaucht war”. “Er trug plötzlich traditionelle muslimische Kleidung. Er sprach junge Leute in Hinblick auf die Religion an. Dann gab es Gerüchte über seine Reisen nach Afghanistan. Als ich ihn zuletzt vor ein paar Monaten sah, saß er allerdings auf einem Motorrad und war auf westliche Art gekleidet. Es war wie in einem Rodeo. Es hatte sich einen gefärbten Haarkamm schneiden lassen und hatte auf dem Schädel ein großes Tattoo im Maori-Stil.” Es war dieser hellgefärbte Haarkamm, der auch Aisha spontan auffiel. “Wie passt das zusammen mit seinen extremistischen Ansichten, wegen denen er in den Moscheen bereits verschien war”, fragt sie sich.
Die Mutter berichtet auch “von Rodeos, die er mit dem Roller und dem Auto abgehalten habe”. “Er prahlte damit. Er war auch gegnüber den jungen Mädchen aus der Nachbarschaft sehr aufdringlich.” Dennoch ist es für Aisha nicht Mohamed, sondern sein Bruder Abdelkader, der “das Gehirn” ist. “Er hat ihm den Kopf mit all dem Zeug angefüllt. Er war auch ständig unterwegs im Ausland, etwa in Ägypten.” Aisha ist jetzt “am Ende ihrer Kräfte”. “Warum, frage ich mich, ist Mohamed Merah trotz aller meiner Anzeigen nicht verhaftet worden?
Wir haben ihn noch letzte Woche gesehen. Er hat uns verhöhnt. Ich habe alles bei der Polizei und auf der Präfektur gemeldet, mehr als einmal. Passiert ist nichts und heute sehen wir, wohin das geführt hat. Mir ist das völlig unverständlich, es ist einfach empörend.”
Toulouse. Une proche témoigne : "J'ai alerté la police à de nombreuses reprises" [Exclusif] - France - Le Télégramme