Kickls Machtergreifung: ein Szenario
Herbert Kickl will als "Volkskanzler" das "System" – also die liberale Demokratie – abschaffen und den Staat nach dem Vorbild Viktor Orbáns in ein autoritäres Regime umbauen. Kann ihm das gelingen?
Herbert Kickl spricht ununterbrochen vom "System". Es besteht für ihn aus "Systemparteien", einer "Systempresse", "Systempolitikern", einem "Systemkanzler".
Was ist für ihn "das System"? Nichts anderes als die repräsentative, parlamentarische Demokratie, die wir jetzt haben. Dieses System muss weg, laut Kickl. Es geht also nicht darum, Reformen oder eine andere, bessere Politik zu machen, sondern um nicht weniger als einen Staats- und Demokratieumbau.
Was das konkret bedeutet, hat Kickl jetzt im Wahlprogramm der FPÖ und in diversen Reden und Interviews deutlich gesagt:
Es sollen "Notgesetze" möglich werden, mit denen man zum Beispiel das Menschenrecht auf Asyl abschafft.
Zuwanderern soll die österreichische Staatsbürgerschaft wieder entzogen werden, wenn sie "nachhaltig Integrationsverweigerung" betreiben.
Es soll verpflichtend eine Volksabstimmung geben, wenn ein Volksbegehren 250.000 Unterschriften bekommt; diese Volksabstimmungen könnten alles Mögliche entscheiden, zum Beispiel, ob "das Volk" eine "unfähige" Regierung absetzen kann.
Der erste Artikel der Bundesverfassung soll so verändert werden, dass Österreich eine "wehrhafte, souveräne" Republik ist, was "uns vor den Übergriffen der EU, der WHO, des Weltklimarates schützt". Also ein De-facto-Austritt aus der EU.
Für Lehrer, die nicht im Sinne der FPÖ unterrichten, soll es eine "Meldestelle gegen politisierende Lehrer" geben; eine "Ombudsstelle" für ORF-Fehler gibt es schon; Freimaurer sollen namentlich aufgelistet werden.
Es soll eine "neue Förderstruktur" für Medien geschaffen werden, an der sämtliche Medien "unabhängig von ideologischen Festlegungen" (auch ultrarechte) teilhaben sollen. Der "überschießende Verhetzungsparagraf", mit dem "rechte Politik und Meinungen kriminalisiert" würden, soll abgeschafft werden.
Schließlich soll Österreich von einem "freiheitlichen Volkskanzler aus dem Volk und für das Volk" regiert werden, dessen Wahlmodus und Befugnisse unklar gelassen werden.
Ein großer Teil ist schlicht verfassungswidrig ("Notgesetze" zur Aufhebung von Menschenrechten; willkürlicher Entzug der Staatsbürgerschaft). Anderes ("Volksinitiative") wäre eine Gesamtänderung der Verfassung, für die man eine Zweidrittelmehrheit im Parlament sowie eine Volksabstimmung braucht.
Herbert Kickl will als "Volkskanzler" das "System" – also die liberale Demokratie – abschaffen und den Staat nach dem Vorbild Viktor Orbáns in ein autoritäres Regime umbauen. Kann ihm das gelingen?
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