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Grizzly 2010: Einmal BiH querbeet und zurück

In Bratunac geht's rechts nach Srebrenica, geradeaus nach Belgrad -
wir sind fast an der serbischen Grenze.
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Die Bevölkerung von Bratunac bestand bei der Volkszählung 1991 zu zwei Dritteln aus Bosniaken, ein Drittel bezeichnete sich als serbisch. Heute gibt es dort nur noch wenige Bosniaken, der Bürgermeister wird von der serbisch-nationalistischen Partei SDS gestellt.
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In Bratunac begann das Massaker der von den serbischen Truppen von ihren Frauen und Müttern getrennten bosniakischen Männern, inzwischen sind über 8000 Tote gefunden und über 6000 identifiziert (laut wikipedia).

In Potocari, 6 km vor Srebrenica, war 1995 das Quartier der niederländischen UNO-Truppen, die die Bevölkerung der Region Srebrenica und der dorthin Geflohenen, insgesamt ca. 50.000 Menschen, schützen sollten. Dorthin flohen die meisten, als serbische Truppen die Stadt erobert hatten. Und dort sahen auch die meisten Frauen und Kinder ihre Männer, Väter und Söhne zum letzten Mal.

Heute ist in Potocari die Gedenkstätte für die Opfer des Völkermords, die aus dem immer größer werdenden Friedhof, der Dokumentationshalle und der Gedächtnishalle besteht.

Letztere ist eine ehemalige Fabrik, in der 1995 erst die UNO-Soldaten
und dann, in drangvoller Enge, die Flüchtlinge lagerten.
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Das Gebiet der Gedenkstätte ist exterritorial, d.h. die Regierung der Republika Srpska hat hier nichts zu sagen, was durch Transparente, auf denen die serbische Führung hart angegriffen wird, zum Ausdruck kommt.
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Hier ist die Republik Bosnien und Herzegowina.

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Serbien ist verantwortlich für den Völkermord.

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Auf langen Tafeln stehen die Namen der bisher namentlich bekannten und hier bestatteten Opfer,
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für manche Familiennamen braucht es mehrere Reihen.
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Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Nach dem Verlassen des Friedhofs geleitet man uns in die Dokumentationshalle.
Ich glaubte ja, durch eigenes Erleben als Hausarzt auch von Kriegsopfern, als historisch einigermaßen Informierter und als vielfacher Besucher von Kriegs- und KZ-Gedenkstätten ziemlich viel über derartige Greuel zu wissen. Aber selbst ich frage mich, ob es jetzt nicht langsam gut ist, nach dem überwältigenden Eindruck eines Gedächtnisfriedhofs für mittlerweile über 6000 Menschen. Natürlich denke ich das nur, schliesse mich der Führung an und erfahre weitere Details, wie das Massaker um Sebrenica im Einzelnen ablief.

Interesant und in gewisser Weise auch tröstlich sind für mich die danach folgenden Ausführungen darüber, mit welcher Professionalität man inzwischen dafür sorgt, dass die Toten aus den immer noch neu aufgefundenen Massengräbern identifiziert werden. Den Hinterbliebenen hat man eine Kleinmenge Blut abgenommen und ihre genetischen Daten abgespeichert. Seit 1996 bringt dann die Internationale Kommission für vermisste Personen ICMP in Sarajevo und Tuzla mit hochspezialisierten Labors die Daten von Opfern und Hinterbliebenen zusammen. Die sind inzwischen so gut, dass sie u.a. bei der Tsunami-Katastrophe in Südostasien in großem Rahmen aktiv wurden und helfen konnten.

In einem Computer kann man Namen von Vermissten aus der Umgebung von Srebrenica eingeben und erhält, falls sie hier auf dem Friedhof liegen, die entsprechenden Lagedaten; falls der Computer nicht funktioniert, kann man das auch über eine SMS erfahren.
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Ein Bild in der Dokumentationshalle fand ich erst so grauslich, dass ich es nicht photographiert habe.
Im Nachhinein bereue ich das, denn eigentlich hat es etwas Anrührendes. Es zeigt einen mit Schutzhandschuh überzogenen Finger, den dieser Spezialist in die Krallenhand eines Toten gelegt hat; man sieht nicht mehr als den Finger und die Hand.
Für mich will das Bild sagen:
Ich bin bei Dir. Das, was man Dir angetan hat, können wir nicht mehr ändern - aber das, was wir noch tun können, wird jetzt gemacht, mit aller Professionalität. Wir sorgen dafür, dass Du ein Grab bekommst, auf dem Dein Name drauf steht, oder wenigstens der Deiner Familie.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Gedächtnishalle ist in einer ehemaligen Fabrik, die den niederländischen UNO-Truppen als Unterstand diente und wo nach der Eroberung durch die serbische Armee Tausende von Flüchtlingen über Tage ohne Sanitäranlagen etc. zusammengepfercht wurden. Mit Ausnahme von Bildern an den Wänden und einem kleinen Kinoraum ist die riesige Halle heute leer.

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Die Bilder an den Wänden beinhalten Biograpien von Ermordeten und Vermissten
sowie die Anfangsgeschichte der Gedächtnisstätte.

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Zum Schluss bekommen wir einen Film gezeigt, worin hinterbliebene Frauen in bewegenden Worten den Abschied von ihren Männern und Söhnen (zum Teil erst 12 Jahre alt !) schildern, wo einzelne Männer in völlig desolatem Zustand auf dem Weg von Srebrenica ins sichere Tuzla sind (wo nur der kleinere Teil von ihnen, schweissgebadet und vollkommen erschöpft, angekommen ist) und wie Flüchtlinge auf völlig überladenen UN-Lastwagen aus Srebrenica herausgefahren werden, selbst auf der vorderen Stoßstange stehen die Leute dicht an dicht - wie der Fahrer noch irgend etwas sehen konnte, ist mir schleierhaft.
 
Nach so vielen Grausamkeiten stolpere ich benommen in die heisse Sommersonne Ostbosniens und damit in die Gegenwart zurück. Verschnaufe noch etwas und klettere wieder in unseren Bus, in dem die anderen schon warten (ich bin meistens der Letzte).

Erich schlägt vor, dass wir in die Stadt Srebrenica hoch fahren und in einem Rückkehrerrestaurant etwas trinken.

Unterwegs kommen wir an einer Reihe von wieder aufgebauten oder noch im Bau befindlichen Häusern vorbei. Es sind, so hören wir, oft Frauen aus mehreren Familien, die sich nach dem Tod ihrer Männer, Väter und Söhne zu Kleinkooperativen zusammengetan haben und gemeinsam Landwirtschaft betreiben.

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Eine Baufirma hat sich wieder angesiedelt -
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sie haben ordentlich zu tun.

Das hier ist schon der Marktplatz von Srebrenica.
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Unweit davon liegt das neue Restaurant, in dem wir gleich verschnaufen werden.
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Wir haben mittlerweile Samstag den 24.7.2010, und Milan kutschiert uns wieder mit dem Bus herum.
Heute Vormittag ist das Tunnelmuseum am Rand von Sarajevo das Ziel.

Während der Belagerung der Stadt war der Flughafen zunächst von der serbischen Armee, später von der UNO kontrolliert, und es war für die Verteidiger nicht möglich, über den Flughafen Menschen oder Material aus der Stadt heraus oder in sie hinein zu bringen - so lange, bis unter dem Flughafen mit stillschweigender Duldung der UNO ein 800 Meter langer Tunnel gebaut wurde.
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Den Eingang dazu (Pfeil) kann man heute besichtigen.

Eine Familie hat dafür ihr Haus zur Verfügung gestellt, erst für den Tunneleingang, und dann, als alles vorbei war, für das Museum. Dass die Wühlerei dem Haus nicht gut bekommen ist, sieht man deutlich.
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Das Haus gegenüber diente als Polizeistation.
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Wenige Meter entfernt vom Tunneleingang starten und landen die Flugzeuge.
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Jenseits des Belagerungsrings liegt das damals unter Kontrolle der Armee von Bosnien und Herzegowina befindliche Igman-Gebirge. Eine einzige Straße (Pfeile), die von den Serben häufig beschossen wurde, führte da durch; an deren Ende lag das andere Tunnelende (dort kommen wir heute nicht hin).
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Der Tunnel war an den meisten Stellen nur ca. 150m hoch und musste ständig von Wasser freigepumpt werden; da war es eine große Erleichterung, als man Schienen hindurch verlegt hatte, und man Versorgungsgüter und gelegentlich auch Krankentragen mit Verwundeten auf Loren durch den Tunnel schieben konnte.
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Inzwischen ist der Tunnel mit Ausnahme eines wenige Meter langen Demontrationsstollens
nicht mehr zugänglich ...
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... und über der Tunnelstrecke wird Wein, Obst und Gemüse geerntet.
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(Freitag 23.7.2010, später Vormittag)
Eigentlich wollten wir auf die alte Königsburg Bobovac,
aber Milan's Chef hat ihm verboten uns dort hinzufahren, weil kleine Straße nicht gut für großen Bus. Am gleichen Veto ist schon am Vortag unsere Tour nach Zepa gescheitert - Erich hatte die Strecken zwar vorher abgefahren und meinte, das müsste gehen, aber er ist halt nicht der Chef ...
Das Internet schert sich nicht um schmale Straßen, und so kann ich Euch wenigstens Links präsentieren.

In Richtung Vares muss der gute Milan schon genug kurbeln.
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In der alten Bergbaustadt Vares hat es zwar keine Kriegszerstörungen gegeben, aber die Häuser und vor allem die Industriegebäude schauen nicht viel besser aus. Das kommt daher, dass mit Kriegsbeginn schlagartig der Absatzmarkt für die Bergwerke weggebrochen ist und ein Großteil der Einwohner, die für einheimische Verhältnisse davon ganz gut leben konnten, ihre Arbeit verloren. Dass vor kurzem hier eine Natursteinproduktion begonnen wurde (Link aus der HP der betr. Firma), hat zur sichtbaren Verbesserung der Bausubstanz noch nicht viel beigetragen.

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P.S.
Das war jetzt noch nicht alles von Vares, aber ich muss erst wieder Bilder bearbeiten.
 
Beim Stadtrundgang in Vares muss man auf einsturzgefährdete Häuser achten
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(an diesem ist immerhin ein Warnschild)

aber manches ist auch hier schon wieder restauriert.
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Bekannt als die älteste erhalten gebliebene Kirche in BiH (aus dem 16. Jahrhundert)
ist die Kleine Kirche (mala crkva); nach längerem Herumfragen findet sich ein Schlüssel,
allein die Beleuchtung ist kaputt, und Fenster gibt es nicht, bzw. sie sind lichtdicht, warum auch immer.
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In der Kirche ist es absolut stockfinster, ich kann lediglich auf Verdacht das Blitzlicht in die Richtung halten, in der ich den Altar vermute, das hier ist der noch gelungenste Versuch.
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Die Holzdecke ist bemalt.
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Sarajevo 25.7.2010

Die Gruppenreise ist zu Ende, und wir (F. und ich) haben noch zwei Tage in Sarajevo angehängt.

Die Sonne hat's heut nicht so mit der bosnischen Hauptstadt und dem Basarviertel.
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Das Historische Museum enthält im Wesentlichen Exponate aus der Österreich-Ungarischen Zeit sowie aus der Belagerung 1992-95, womit ich Euch nicht schon wieder behelligen will. Anschliessend gehen wir ins benachbarte Cafe Tito (wobei mir entfallen ist, ob es wirklich so heisst), wo wir mit unseren 60 bzw. 57 Jahren den Altersschnitt der Anwesenden erheblich nach oben drücken.

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Auf den roten Transparenten ist zu lesen:
25. Mai - Tag der Jugend und Wir gehören zu Tito.
Und auf jeder Rechnung steht unten als letzte Zeile:
SMRT FAŠISMU !!! = Tod dem Faschismus (da kann man nix gegen sagen).

Neben dem Cafe ist Kriegsgerät aus dem 2. Weltkrieg drapiert.
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Ich ziehe dann allein weiter, u.a. um die Busfahrkarten für unsere Weiterfahrt nach Jajce zu besorgen. Aber als alter Bahnfan statte ich erstmal dem Hauptbahnhof einen Besuch ab.
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Also, das Leben tobt woanders ...
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Da ist auf dem Busbahnhof nebenan mehr los, dafür sind die Toiletten dort unter aller Sau. Die im Hauptbahnhof sind wenigstens sauber, und die Toilettenfrau, die einem das Papier zuteilt, gibt sogar Nachschlag.

Draussen tobt sich die Architektenszene aus ...
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aber ich nehme, auch aufgrund des nächsten zu erwartenden Regengusses die nächste Straßenbahn in Richtung Altstadt.
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In der Nähe der Latinski Most, der Lateinerbrücke, steige ich aus und gedenke noch einmal dem 1914 erschossenen Erzherzogenpaar und seinem Attentäter Gavrilo Princip.
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So sah die Ecke, an der das passierte, damals aus
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und so heute,
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sie beherbergt ein Museum, das ich morgen besuchen will.

Heut Abend geht's noch einmal in das gemütliche Restaurant Pod Lipom (Unter der Linde) in der Altstadt, das offensichtlich schon prominentere Besucher als mich gesehen hat.
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