Wenn man realistisch ist, dann existiert dieses "Band" von der Antike bis in die Gegenwart eigentlich nicht, zumindest nicht in genetischer Hinsicht. Das ist eher ein Konstrukt der bürgerlichen Historiker es 19. Jahrhunderts und stützt sich auf theoretische Überlegungen und Wunschdenken. Auch bekannte griechische Nationalisten bezweifeln das. Man muss die griechische Antike eher als sozialisiertes Erbe des östlichen Mittelmeers betrachten, als das letzte östliche Reich der Antike, dass alle Elemente der bisherigen Entwicklungen in dem Gebiet in sich vereint und sie, wenn man so will, perfektioniert, wie es eben alle großen Kulturen gemacht haben. Aus der Zeit des 19. Jahrhunderts stammt auch der Terminus des "Ελληνοχριστιανός", was so viel wie Hellenen-Christ bedeutet und ein Brückenschlag zwischen christlichem Ist-Zustand und antiker Geschichte sein soll. Davor war die Orthodoxie multiethnisch (aus meiner Sicht sollte es wieder so sein) und hat vorallem nicht dazu gedient, um Ethnien zu definieren. Wenn man das genauer untersucht, ist es auch ein Widerspruch, denn das Christentum kennt keine Wertung unter den Ethnien und Nationen.
Im Grunde genommen schwebt über der gesamten neugriechischen Geschichtsschreibung ein verfälschender Schein, der die Religion, die Geschichte und die verwendeten Begriffe umfasst. Dass die griechischsprachigen Menschen im OR sowohl muslimisch wie auch christlich waren, wird bewusst verschwiegen. Dieses ganze Gerede in den Schulbüchern über die 400-jährige Knechtschaft (auch in der Nationalhymne) ist eigentlich mehr oder weniger falsch. De facto hatten in den letzten 200 Jahren des OR Griechen und andere Minderheiten das Sagen und das ursprüngliche Ziel der Revolution von 1821 war auch nicht die Schaffung eines eigenen Staates, sondern mehr Autonomie innerhalb des OR. Griechenland in seiner heutigen Form wäre ohne den Willen der Großmächte der damaligen Zeit nie entstanden. Aus heutiger Sicht ist jedenfalls eher Byzanz und das Osmanische Reich entscheidend für die Identität, während die bürgerliche Interpretation der Antike ein Fantasiegebilde ist, dass man den Menschen versucht hat einzupflanzen. Gerade mit der Krise verfangen sich diese Lügengebilde auch in Widersprüchen und werden hinterfragt. Es gibt wohl auch in den griechischen Kreisen Intellektueller wieder Forderungen, sich komplett auf den Balkan und die Türkei zu konzentrieren und dort Möglichkeiten der Unionsbildung zu erörtern.
Was jetzt irgendwelche kurzsichtigen Umfragen für eine Aussagekraft haben, sollte man zumindest kritisch betrachten. Bestimmte Zustimmung ist im Grunde auch erpresst, auf Wahlkampfveranstaltungen drohen die etablierten Parteien den Menschen mit Chaos und Krieg falls sie nicht gewählt werden als Kräfte, die den EU-Kurs stützen. D.h. man kann hierbei nicht von freier Wahl sprechen. Nach deiner Definition ist die Türkei ebenfalls westeuropäisch, was aus meiner Sicht falsch ist.