Reaktion auf Raketenbeschuss: Israelische Luftwaffe startet Vergeltungsangriffe
Militante Islamisten in Gaza haben innerhalb weniger Stunden mehr als 70 Raketen auf Israel abgefeuert. Die israelische Luftwaffe griff am Mittwochabend mehrere Ziele im Gazastreifen an. Außenminister Lieberman fordert eine erneute Besetzung des Gebiets.
Tel Aviv/Gaza - Für die Menschen im Süden Israels war es der schwerste Tag seit fast anderthalb Jahren: Militante Palästinenser haben am Mittwoch mehr als 70 Raketen aus dem Gaza-Streifen abgefeuert.
Zehntausende Israelis mussten bei Vorwarnzeiten von teilweise nur wenigen Sekunden in Bunkern Schutz suchen. Verletzt wurde nach offiziellen Angaben niemand - bis auf eine Frau, die auf dem Weg in einen Luftschutzraum stolperte. Das
Raketenabwehrsystem Iron Dome fing mindestens drei Geschosse ab. Erst vor wenigen Tagen
stoppte Israel im Roten Meer ein Schiff mit Raketen, die angeblich in den Gaza-Streifen gebracht werden sollten. Am Mittwochabend hat die israelische Luftwaffe laut Augenzeugen dann Vergeltungsangriffe auf mehrere Ziele in dem palästinensischen Gebiet geflogen. Den Angaben zufolge wurden neun Ziele angegriffen, nämlich Ausbildungslager der Al-Kuds-Brigaden, dem bewaffneten Flügel des Islamischen Dschihad, sowie der Essedin-al-Kassem-Brigaden, dem militärischen Arm der Hamas. Von den Rettungskräften wurden zunächst keine Opfer gemeldet. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Hamas habe am Abend alle ihre Lager geräumt.
Israels Regierungschef
Benjamin Netanjahu hatte zuvor eine "sehr entschlossene Reaktion" auf den Beschuss angekündigt. "Wenn im Süden keine Ruhe einkehrt, wenn es keine Ruhe für die Bürger Israels gibt, dann wird es Krach im Gazastreifen geben, viel Krach in Gaza", sagte Netanjahu. Der britische Premierminister
David Cameron, der gerade auf Staatsbesuch in Israel weilt, sagte in Jerusalem: "Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Wir verurteilen diese Angriffe ganz und gar."
Seit der bislang letzten Militäroperation gegen Gaza im November 2012 waren nie so viele Raketen an einem Tag auf Israel abgefeuert worden, wie am Mittwoch.
Israelisch-palästinensische Verhandlungen in Gefahr
Der
Islamische Dschihad übernahm die Verantwortung für die Angriffswelle: "Das ist unsere Antwort auf die Verbrechen der Besatzer, die zuletzt drei unserer Mitglieder töteten", teilte die Gruppe mit. Am Dienstag waren bei einem Luftangriff auf den Ort Chan Junis drei Palästinenser ums Leben gekommen. Die Männer sollen zuvor israelische Grenzsoldaten mit Mörsergranaten beschossen haben.
Außenminister
Avigdor Lieberman drohte mit einer erneuten Besetzung des palästinensischen Gebiets am Mittelmeer. "Wir haben keine andere Wahl", sagte der Politiker. "Es gibt keinen Preis, den wir für die Sicherheit der israelischen Bürger nicht zu zahlen bereit sind." Jedes Haus in Gaza müsse gesäubert werden. Seit Ende November 2012 gilt eine brüchige und
von beiden Seiten immer wieder missachtete Waffenruhe zwischen
Israel und dem
Gaza-Streifen. Sie beendete eine achttägige Militäroperation Israels in dem dichtbesiedelten Küstengebiet. Während der damaligen Eskalation hatte die Hamas auch Tel Aviv und den südliche Stadtrand Jerusalems mit Raketen beschossen. Der Islamische Dschihad warnte, die vereinbarte Waffenruhe werde bald komplett zusammenbrechen, wenn Israel seine Angriffe nicht beende.
Die Zuspitzung der Lage rund um den Gaza-Streifen gefährdet auch die Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern. Unter Vermittlung von US-Außenminister
John Kerry sollen die israelische Regierung und die palästinensische Autonomiebehörde unter
Mahmud Abbas bis Ende des Jahres einen endgültigen Friedensvertrag schließen. Die Hamas und der Islamische Dschihad lehnen die Gespräche ab.
syd/dpa/AFP
Gaza: Islamischer Dschihad feuert 70 Raketen auf Israel - SPIEGEL ONLINE