Japan am Tag nach der Katastrophe
In Japan hat Tag eins nach dem verheerenden Erdbeben begonnen: Nach Sonnenaufgang wurde das Ausmaß der Schäden sichtbar, die durch das Beben und die darauf folgende Tsunami-Welle verursacht wurden. Es bietet sich ein Bild der Verwüstung. In manchen Städten lodern noch immer Großbrände, viele Orte stehen unter Wasser. Zahlreiche Menschen warten noch auf Hilfe. Tausende haben die Nacht in Notunterkünften verbracht.
Mindestens 398 Tote gezählt
Über die Zahl der Todesopfer liegen nur ungenaue Schätzungen vor. Die Polizei sprach zuletzt von mindestens 398 Toten, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. Mehr als 800 Menschen würden vermisst, 948 verletzt. Diese Zahlen könnten noch erheblich ansteigen.
So meldete die örtliche Polizei aus der Küstenstadt Sendai, dass dort 200 bis 300 Leichen angespült wurden. Die Menschen waren offenbar von der Flutwelle überrascht worden. Die Behörden bestätigten bislang offiziell 236 Todesopfer. Demnach wurden 1028 Menschen verletzt, 725 weitere werden immer noch vermisst.
Nachbeben erschweren die Rettungs- und Aufräumarbeiten. Noch am frühen Samstagmorgen (Ortszeit) gab es im Norden des Landes besonders schwere Erschütterungen der Stärke 6,6. Damit ist auch die Gefahr vor weiteren Tsunamis nicht gebannt.
Angst vor nuklearer Katastrophe
Kritisch ist die Lage vor allem auch in
zwei Atomkraftwerk in Fukushima. Dort hatten nach dem Beben die Kühlsysteme versagt. Einige Experten befürchten eine Kernschmelze in der Anlage. Diese kann zu einer unkontrollierten Kettenreaktion und zum Austritt von Radioaktivität führen. Mehr zur Situation in Japans Atomkraftwerken nach dem Erdbeben lesen Sie
hier.
Viele ungelöschte Feuer
Durch das Beben waren in weiten Teilen des Landes Dutzende Brände ausgebrochen, die teilweise noch immer nicht gelöscht werden konnten. Unter anderem sorgten zerbrochene Gasleitungen für heftige Explosionen. Schwer betroffen ist unter anderem die Stadt Kesennuma in der Präfektur Miyagi.
In der Präfektur Chiba bei Tokio stand eine Ölraffinerie in Flammen. Die Anlage wird von dem japanischen Erdölkonzern Cosmo Oil betrieben. Auch in einer Erdölfabrik im Nordosten des Landes ereignete sich eine schwere Explosion: Im Fernsehen war zu sehen, wie riesige Flammen über der großen Anlage in Shiogama hochschlugen.
In Yamada, Präfektur Iwate, wüten auch am Morgen (Ortszeit) nach dem Beben noch Feuer... (Quelle: "The Yomiuri Shimbun")
... während die Stadt Soma in der Präfektur Soma noch immer unter Wasser steht (Quelle: NHK)
Zerstörungen und Verkehrschaos in Tokio
In der Hauptstadt Tokio fiel in mehr als vier Millionen Haushalte der Strom aus. Der Nahverkehr fiel komplett aus, weshalb Zehntausende Berufspendler festsaßen. Sie versuchten mit Taxen oder auch zu Fuß nach Hause zu gelangen. Die beiden Flughäfen der Stadt wurden nach einer Unterbrechung wieder geöffnet.
Nach Angaben der Zuggesellschaft East Japan Railway wurde der Zugverkehr im Nordosten Japans zu großen Teilen eingestellt. Betroffen waren sowohl der Schnellzug Shinkansen als auch lokale Zugverbindungen. Das Handynetz brach zeitweise zusammen.
Bis zu zehn Meter hohe Tsunami-Welle
Das schwerste Erdbeben in der Geschichte Japans hatte am frühen Freitagmorgen (MEZ) eine riesige Tsunamiwelle ausgelöst: Eine bis zu zehn Meter hohe Wand aus Wasser erreichte die Hauptinsel Honshu. Ganze Häuser wurden mitgerissen, Hafengegenden verwüstet. Die Wassermassen drückten Küstenbegrenzungen ein, verschoben Landstriche - eine unbeschreibliche Flutwelle voller Trümmer drang kilometerweit ins Landesinnere vor. Die apokalyptischen Szenen erinnern an die Verwüstung nach dem Tsunami 2004 im Indischen Ozean.
Das Epizentrum des Bebens gegen 14.45 Uhr Ortszeit (6.45 Uhr MEZ) lag 130 Kilometer östlich der Stadt Sendai und knapp 400 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Tokio.
Japan bittet EU um Hilfe
Das Kabinett kam unter Leitung von Ministerpräsident Kan zu einer Krisensitzung zusammen. Das Verteidigungsministerium schickte Kampfflugzeuge los, um die Schäden aus der Luft aufzuzeichnen. Die Regierung richtete ein Krisenzentrum ein.
Aufgrund der Ausmaße der Katastrophe bat Japan die Europäische Union und die UNO offiziell um Hilfe. Die Regierung in Tokio brauche vordringlich Such- und Rettungstrupps, vor allem Suchhunde zum Aufspüren von Verschütteten, teilte die EU-Kommission mit.
Bundesregierung bietet Hilfe an
Bundeskanzlerin Angela Merkel bot Japan deutsche Hilfe bei der Bewältigung der Folgen des katastrophalen Erdbebens an. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte, nach bisherigen Erkenntnissen seien keine Deutschen von dem Beben unmittelbar betroffen. Dies sei allerdings nur eine vorläufige Lageeinschätzung.
Weitere Staaten boten ihre Hilfe an.
Die ersten Hilfsorganisationen aus Deutschland sind bereits auf dem Weg in das Katastrophengebiet. Vier Experten eines Teams des Technischen Hilfswerkes (THW) flogen gestern von Frankfurt/Main aus nach Tokio. Sie sollen Vorbereitungen treffen für den Einsatz von rund 40 THW-Helfern, die heute vom Hunsrück-Flughafen Hahn nach Japan aufbrechen wollen. Auch andere Organisationen rüsteten sich für einen möglichen Hilfseinsatz.