Jimmyl
Balkanspezialist
Wie bemisst sich denn das Ausmaß? An der Zahl Ermordeter? Dann ist der Holocaust nicht der größte Völkermord. Oder an der Anzahl von Hollywoodfilmen darüber? Dann ist der Holocaust tatsächliche der größte Genozid.
Diese deutsche Art der Aufarbeitung, Hitler und den Holocaust als eine historische Ausnahmesituation zu beschreiben ist letztendlich eine Form die Verantwortung nicht zu übernehmen. Statt die Verbrechen während des Krieges und davor als etwas zu verstehen, was von normalen Deutschen gemacht wurde, und aufgrund von Motiven, die es auch in anderen Gesellschaften in dieser oder ähnlichen Form gibt, und es auch davor und danach gab, wird die Zeit zwischen 33 und 45 so dargestellt, als wäre Hitler ein Hypnotiseur gewesen oder sowas, der die Deutschen in irgendeine Art von Ekstase versetzt hat. In Wahrheit war Hitler für seine Zeit ein relativ normaler Politiker, und die NS-Ideologie eine relativ normale Ideologie. In Wahrheit offenbart sich in dieser Art der historischen Aufarbeitung sogar, dass die grundlegende Kraft des Nationalsozialismus, nämlich das unbewusst oder bewusst sehr stark ausgeprägte Überlegenheitsgefühl des deutschen Volkes. Zum einen sieht man sich selbst wieder als die Superlative: Der eigene Völkermord war viel schrecklicher als alle anderen, ganz klar eine historische Ausnahmesituation. Zum anderen sollen sich auch alle anderen Völkern an dieser vorbildlichen Geschichtsbewältigung doch bitte eine Scheibe abschneiden.
Ich könnte noch viel über die psychologischen Abwehrmechanismen schreiben, die sich in der Geschichtsbewältigung des Holocaust zeigen, wie bspw. das extreme Haften an Symbolen (Arbeit macht frei, Auschwitz,...), die tabuisiert werden, weil dort die Schuldgefühle (und vor allem: die Demütigung der Niederlage) verlagert und aufbewahrt werden, etc. Das führt aber an dieser Stelle zu weit.
Richtig, die NS-Zeit wurde in D nicht richtig aufgearbeitet. Individualschuld (Hitler), anstatt Kollektivschuld, was völlig falsch & auch sehr gefährlich ist für die Zukunft, weil die wirklichen Kernprobleme so verschleiert werden:"Wir Deutschen waren/sind nicht rassistisch, es waren nur die Nazis", was völliger Quatsch ist, denn in gewissen Aspekten waren die Nazis sogar toleranter als die heutigen Deutschen (Hitler war in diversen Hinsichten auch nur ein Mitläufer, der die zeitlichen Trends und Ideen übernommen und z.T. radikalisiert hatte, um Gunst bei der Normalbevölkerung zu gelangen, die selber sehr rassistisch/antisemitistisch waren).