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Gelöschtes Mitglied 8317
Guest
Kiffend in die PsychoseKiffen beruhigt die Nervern und entspannt, ein gutes wohlgefühl wirkt sich positiv auf die psyche und somit auch auf das Gehirn aus.
Cannabis ist weniger harmlos, als viele glauben: Es kann das Gehirn von Jugendlichen dauerhaft verändern und psychische Störungen bis hin zur Schizophrenie auslösen.
Das Gefühl von Wärme und Geborgenheit war lang ersehnt. Im Dunst des langsam verbrennenden, süßlich riechenden Marihuanas fühlte sich Finn Berger* endlich frei. Frei von den quälenden Gedanken und frei von der Anspannung, die sich seit Monaten durch sein Leben zogen. "Ohne die Drogen hätte ich das nicht geschafft", sagt der 18-Jährige. "Ohne sie wäre ich vielleicht gar nicht mehr am Leben."
Berger war 15, als sich seine Mutter das Leben nahm und er zu seinem ersten Joint griff. "Damals hatte ich keine Ahnung vom Leben und erst recht nicht davon, wie ich mit meinen Gefühlen umgehen soll", sagt er. Er erinnert sich an die künstlichen Momente des Glücks, bevor sein Leben aufs Neue vollständig zusammenbrach, weil er sich unwissend selbst langsam zerstörte. Berger verfiel dem Cannabis. Jener Droge, die als weich gilt und deshalb von vielen unterschätzt wird.*
"Cannabis ist ein sehr großes Problem unserer Gesellschaft", sagt der Psychiater Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Kaum jemandem seien die schwerwiegenden Folgen regelmäßigen Konsums bewusst, "insbesondere jungen Menschen in der Pubertät nicht", sagt er.
Gerade in dieser Phase, in der sich das Gehirn junger Menschen noch entwickelt, können Drogen, wie Cannabis, das Risiko noch erhöhen, eine psychische Störung zu entwickeln. Nahezu jeder dritte 14- bis 17-Jährige in Deutschland hat Cannabis mindestens einmal probiert. Für die meisten bleibt es beim einmaligen oder seltenen Joint. Andere wie Berger kiffen regelmäßig. "Jugendliche sehen die Droge als Lösung, um ihrem Alltag zu entfliehen. Eine Sackgasse," sagt Thomasius. Diejenigen, die zu viel konsumieren, können in eine Entwicklungsstörung hineinschlittern. Fünf bis sechs Prozent aller Jugendlichen entwickeln sogar ernsthafte psychische Störungen im Zusammenhang mit dem Konsum illegaler Drogen.
"Wieso sollte etwas so Wunderbares schlecht sein?"
"Als ich das erste Mal an einem Joint gezogen hatte, hab ich nicht verstanden, warum die Erwachsenen Drogen immer so verteufelten", sagt Berger. "Drogen sind schlecht, Drogen machen abhängig", habe er zwar zu Hause und in der Schule oft gehört. "Doch es hat sich so gut angefühlt – wie sollte etwas so Wunderbares schlecht für mich sein?"
Ein folgenschwerer Irrtum. Hatte ihm anfangs noch ein halbes Gramm Marihuana am Tag gereicht, brauchte er später bis zu fünf Gramm am Tag. "Da kam ich leicht auf 600 bis 700 Euro pro Monat", sagt Berger. Irgendwann habe er die Rauschwirkung gar nicht mehr gespürt, sondern die Drogen gebraucht, um normal zu sein, um sich überhaupt nach draußen zu trauen. Er war süchtig. So paradox es klingt – seine Rettung waren schließlich der Schulabbruch und der Rauswurf von zu Hause, sagt er heute. "Da wusste ich, dass ich aufhören wollte. Aber ich konnte das nicht alleine schaffen."
Seit wenigen Wochen ist er nun in der geschlossenen Station einer psychiatrischen Klinik für Jugendliche. Dort lernt er, auch ohne Drogen klarzukommen – es ist bereits sein dritter Entzug. Entzug bedeutet Schlaflosigkeit, schwitzen, obwohl man friert, Angstzustände verbunden mit enormen Stimmungsschwankungen. "Ich kann mich heute nicht mehr so gut konzentrieren wie früher", sagt Finn Berger. Er weiß: Die Drogen werden langfristig Spuren hinterlassen.
Ein möglicher Grund: "Cannabis kann das Gehirn dauerhaft verändern", sagt der Hamburger Psychiater Thomasius, "Bei Jugendlichen bleibenGehirnveränderungen ein Leben lang, zum Beispiel eine Verkleinerung des Hippocampus, in dem wichtige Strukturen des Gedächtnisses stecken." Eine Studie der Universität Melbourne hat gezeigt, dass auch die Amygdala, das Zentrum zur Gefühlsregulation von Angst und Aggression, mit regelmäßigem und häufigem Missbrauch der Droge schrumpft. Hinzu kommen Intelligenzstörungen.
Außerdem scheint Cannabis die Grenze zwischen Realität und Gedankenwelt ins Wanken zu bringen. "Wenn die jungen Patienten zu mir kommen, haben fünf Prozent von ihnen psychotische Symptome", sagt Thomasius. Die meisten werden die Wahnvorstellungen und Halluzinationen wieder los. "Bei manchen aber wird durch die Droge eine handfeste Schizophrenie ausgelöst", erklärt der Psychiater.
Verschiedene Studien an jungen Menschen mit Schizophrenie bestätigen: Je höher die tägliche Menge an konsumiertem Cannabis ist und je länger der Zeitraum des Missbrauchs, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eine Schizophrenie zu entwickeln. Wer bereits eine starke Veranlagung zur Schizophrenie hat, löst diese durch die Droge womöglich deutlich früher aus.
Eine Legalisierung von Cannabis setzt das falsche Signal
"Es gibt keinen ungefährlichen Konsum im Kindes- und Jugendalter", betont Thomasius. Viele Jugendliche würden denken, dass sie alles unter Kontrolle haben und dementsprechend konsumieren dürften, was Erwachsenen zusteht. Ein Trugschluss. "Die jungen Menschen entwickeln nicht ihre eigene Persönlichkeit, sind zutiefst verunsichert und eigentlich nur auf der Suche nach Nähe und Geborgenheit", sagt er. Eine Legalisierung von Cannabis für Erwachsene, wie sie viele fordern, würde das falsche Signal setzen.
Die Entwicklung zur Sucht vollzieht sich meist im Hintergrund. Umso wichtiger ist es, das Bewusstsein der Gesellschaft für das Risiko zu schärfen, Süchtigen ihre Probleme bewusst zu machen und sie zu einer Therapie zu bewegen. "Die Behandlungszahlen steigen zwar seit Längerem – trotzdem erreichen wir nur einen kleinen Teil", sagt Thomasius. Die Dunkelziffer sei hoch. Um von der Droge loszukommen, ist vor allem die eigene Disziplin wichtig. "Die Jugendlichen müssen vorsichtig sein, sich nicht selbst zu überschätzen", sagt Thomasius. "Es gibt keinen kontrollierten Konsum nach einer Sucht." Einmal süchtig sei immer süchtig. Das innere Verlangen und die Versuchung bleiben.
Berger hofft, dass die Therapie ihm dieses Mal hilft. Er ist engagiert und hat große Pläne für die Zeit danach: "Ich will kommendes Jahr im Winter noch mal zur Schule gehen und 2015 mein Abitur nachholen." Danach studieren,Informatik oder Physik. Bis dahin möchte er endlich wieder am Leben teilhaben und Sport machen. "Ich hoffe, dass ich in meiner Mannschaft neue Freunde finde", sagt er. Doch zunächst muss Berger lernen, geduldig zu sein – und mit den Langzeitfolgen seiner Sucht umzugehen, die ihn womöglich sein gesamtes weiteres Leben begleiten werden.