MMn. schon – die ursprüngliche Debatte im 19. Jh. prägte den Begriff ja, um aufzuzeigen, dass man den Kapitalismus nicht durch Revolutionen, sondern eher peu a peu abschafft, ursprünglich beinhaltet er also durchaus einen Zeitfaktor. Im Völkerrecht wird er für Grenzänderungen benutzt, aber gerade da ist es ja ein Unterschied, ob man ein Land aufgrund spontaner Änderungen zusammenhalten will, oder wie Putin über Jahre geplant langfristig am liebsten die ganze Sowjetunion wiederherstellen, mit Russland wird der Begriff ja sowieso in Verbindung gebracht – aber das ist ja alles Wortklauberei. Insgesamt besteht halt ein Unterschied zwischen langfristigem Planen oder einem unüberblickbaren, sich ständig ändernden Chaos wie damals in YU – wie ich in meinem ersten Posting aber schon sagte, sehe ich bei Slobos Argumentation dennoch Parallelen.
Wie gesagt, hier ab Minute 40, während der Verhandlungen 91.
Bzgl. der Abspaltung aller Republiken muss es ein Missverständnis gegeben haben, Milosevic hatte vorher der Trennung von Kroatien zugestimmt, ist dann bei der plötzlichen Änderung und einer kompletten Auflösung der SFRJ völlig aus dem Häuschen und spricht von "tödlicher Gefahr" für die serbischen Minderheiten. Ich schließe es bis heute nicht aus, dass da neben "spontanem Revisionismus" und territorialer Machtgier auch echte Sorge dabei war, so zerstreut wie die Minderheiten in BiH waren und so aprupt wie sich der Verhandlungsverlauf änderte. Bei Putin sehe ich längere Planung und finde die Fadenscheinigkeit der Argumente eindeutiger.
Genau den beiden Beweggründen hält er in dem Video ja die Sorge um die Minderheiten entgegen. Ging es bei der Badinterkommission nicht um Slowenien und Kroatien? Deren Unabhängigkeit hätte er ja bei Carrington noch unterschrieben. Warum allerdings die Minderheiten in BiH in größerer Gefahr gewesen sein sollen, als die in Kroatien, erschließt sich mir auch nicht. Vllt. weil sie so zerstreut im Land waren, aber es klingt ehrlicherweise auch nicht eindeutig glaubwürdig, was er sagt.
Kann man wie gesagt schon so sehen, der Zeitrafferaspekt macht aber mMn. einen Unterschied, gerade, wenn sich wie bei Carrington Dinge innerhalb von Stunden ändern. Nationalismus wurde allerdings auf allen Seiten geschürt. Auch gab es angeblich in Vukovar im Vorfeld schon Morde an Minderheiten, sicher auch im Donbass sowie Odessa, was aber in keinem der Fälle rechtfertigt, Städte dem Erdboden gleichzumachen. Auch hier kann man wieder Parallelen sehen, wenn man so will.