Mal
Legende
Wo ich dir aber widersprechen muss, ist deine Interpretation, dass es sich im Kosovo um keinen Bürgerkrieg handelte. Es gibt Staatsgrenzen. Diese entstehen bei jedem Staat zu einem gewissen Zeitpunkt und auch die Serbiens sind nicht einfach auf dem Gutdünken der Serben entstanden, sondern es gab nach einer kriegerischen Auseinandersetzung eine internationale Konferenz, wo sie dann festgelegt wurden.
Und solange ein Konflikt innerhalb einer Staatsgrenze zwischen den jeweiligen Bürgern - egal welche Völker, welche Ethnie - stattfindet, ist das ein Bürgerkrieg.
Es macht Sinn, dass die territoriale Integrität geschützt wird, weil es so wie Berliner schon anmerkte, es völlig unerträglich werden würde. Genauso wie auch die Uno und ihre Institutionen auch Sinn machen. Hier darf man nicht den Fehler machen, nur weil es etwas - völlig berechtigt - zu kritisieren gibt, quasi das Kind mit dem Bad auszuschütten. Es braucht so etwas wie ein "Weltforum", wo die Völker miteinander zusammen kommen, weil jede Lösung eines Konflikts - egal ob es vorher einen Krieg gab oder nicht - nur politisch gelöst werden kann. Mit Bomben allein kann man höchstens Fakten schaffen, aber die Probleme bleiben trotzdem gleich. Und die Situation jetzt - so wie sie ist - ist ja gerade darauf zurückzuführen, dass das VR ignoriert wird, denn gerade die Schwächeren sind darauf angewiesen, dass sich die Stärkeren daran auch halten.
Warum und wie Albanien entstanden ist und warum Kosovo zu Serbien kam, wird wohl in diesen Büchern auch irgendwo stehen, die du gelesen hast.
Ich erwarte mir nichts anders, als wenigstens fair zu sein, auch wenn ich verstehen kann, dass der Hass groß ist. Dh nicht, ich würde dir unterstellen, du wärest es nicht, aber ich kann dir diese Frage, warum es nicht bereits im 19 Jht. war, nicht (seriös) beantworten, dafür ist mein Wissen zu oberflächlich. Aber ich vermute, dass es keine internationalen Interessen vorher gab.
Die Serben hier, die SFRJ völlig ablehnen und als Verbrechen an der Menschheit ansehen, haben diese Auffassung, weil es auch dafür historische Gründe gibt. Der Panslawismus ist nicht in Serbien entstanden, sondern kam aus dem Norden (ich glaube via Tschechien) nach Kroatien. Und es waren die Kroaten, die die Serben für ihren "Befreiungskampf" bewundert haben und die Habsburger endlich los werden wollten, während es in Serbien auch einen (streng nationalistischen) Teil gab, der dieser Idee völlig misstrauisch gegenüberstand. Aber nach dem WK I und WK II war es die Lösung, die zunächst mal auch als die Beste erschien. In den 80ern haben sich aber durch Milosevic gerade die Nationalisten wieder durchgesetzt, die nichts anderes angestrebt haben als ein Serbien ohne die anderen Republiken, obwohl sie vorgegeben haben, für SFRJ zu stehen. Sie haben alles wirklich verkackt. Aber die Geschichte gibt denjenigen, die SFRJ ablehen in Gewisser Hinsicht auch recht, weil ohne diese beiden Experimente, Serbien heute ganz anders dastünde, glauben sie. Aber sie werden den Nachweis dafür nicht erbringen können, weil es kontrafaktisch und rein spekulativ ist.
Unabhängig davon (dh von der Slawenfraktion) ist auch das Verhältnis mit den Albanern ohne triftigen Grund völlig verkackt worden. Und ob du es glaubst oder nicht, mir tut das sehr leid, weil es auch anders hätte sein können. Es ist im Kosovo schon auch Entwicklungspolitik/hilfe betrieben worden, aber ich fürchte, es ist nie dort angekommen, wo es hätte ankommen sollen. Es ist wirklich sehr schwer ein Gebiet, welches eine hohe Armut aufweist, auf die Füße zu stellen. Hinzu kam eine chauvinistische Haltung ggü den Albanern, dass sie sowieso nichts anderes machen, als Kinder auf die Welt zu setzen. Ich verstehe (auch in anderen Ländern) nicht, warum diejenigen, die am meisten der Gewalt aufgrund ihrer Armut ausgesetzt sind, nochmals Gewalt angetan wird. Warum das so ist, weiß ich nicht. Aber ich stelle immer wieder fest, dass die Argumentation sehr ähnlich ist (mangelnde Bildung, Rückständigkeit, hohe Geburtenrate blablblabla).
Vorab ein guter Beitrag von dir, will nur auf paar Punkte eingehen.
Zur Thematik Bürgerkrieg: der Begriff "Bürgerkrieg" ist nicht klar definiert und lässt sehr viel Spielraum zu. Demnach wäre der Kroatienkrieg und Bosnienkrieg auch ein Bürgerkrieg gewesen. Die Tschetschenischen Kriege wären auch unter die Kategorie Bürgerkrieg gefallen, obwohl konzentriert in einer Region zwischen zwei Völker Krieg geführt wurde. Wieso wurde aber nun in Slowenien, Kroatien oder Bosnien nicht die Frage der staatlichen Integrität diskutiert, im Fall Kosovo aber ja? Und die Argumention bezüglich Teilrepublik und Provinz wäre jetzt nur die Suche nach Ausreden, da beide Begriffe in der Definition von "Bürgerkrieg" nicht erwähnt werden. Slowenien, Kroatien und Bosnien wurden problemlos als Nicht-Teil Jugoslawiens anerkannt, im Fall Kosovo wird darüber ohne Logik diskutiert, weshalb es kein Teil Serbiens sein darf. Dies geht soweit, dass man sich auf mythologische Ereignisse bis ins 14. Jahrhundert beruht.
Fassen wir zusammen: im ganzen letzten Jahrhundert hat sich die serbische Regierung keinen einzigen Tag um das Wohl der Albaner gekümmert. Mit abgesehen 20 Jahren, die ich nicht verleugnen will, von ungefähr 1966, mit der Absetzung des Psychopathen Rankovic, dass die Region Kosovo beflügelt hat, über der Gründung der Universität Prishtina, bis Mitte der 80er, als die Scheiße endgültig ihren Lauf genommen hat, haben die Albaner in Jugoslawien besser gelebt als die Albaner in Albanien. Aber das wars dann auch in einer fast 100-jährigen Geschichte unter serbisch-jugoslawischer Herrschaft.
(1) Es ist seit 1988 Fakt, dass Cubrilovic eine ethnische Säuberung der Albaner in der Region Kosovo bereits vor dem 2. Weltkrieg formuliert hat. Dieser Psychopath war nicht irgendjemand, das war ein gebildeter serbischer Politiker, der später Dekan der Philosophischen Fakultät Belgrads wurde und als Rechte Hand Rankovic galt.
(2) In Mazedonien beschlossen gleichzeitig die Führung Jugoslawiens und der Türkei, natürlich ohne Anwesenheit eines albanischen Politikers, dass die Albaner in die Türkei abgeschoben werden. Was mich aufregt ist, dass sich an jedem Strohhalm geklammert wird, so peinlich wie er ist, und ernsthaft meint, dass mindestens 80000 Albaner freiwillig ihr Land, ihre Verwandtschaft und Nachbarschaft in der sie seit Jahrhunderten (!) friedlich leben verlassen haben.
(3) Rankovic, der 1945 zum Volksheld Jugoslawiens erklärt wurde, ist für einen extrem brutalen Führungsstil im Kosovo bekannt. Unter seiner Leitung wurden einfach so über hundert Albaner umgebracht, zig tausende misshandelt. Wir reden hier von jemanden, der von Tito persönlich zum 2. Mann Jugoslawiens ernannt wurde und 20 Jahre lang (!) über das Kosovo konsequenzenlos geherrscht hat. Nachdem es selbst bis nach Belgrad vorgedrungen ist, mit welcher Brutalität der Psychopath vorging, wurde er lediglich abgesetzt und konnte unbeschwert ohne juristische Verfolgung sein Lebensabend an der Adria verbringen.
(4) Der letzte große Psychopat Milosevic hat dann noch die Kirsche auf die Torte gesetzt. 1987, zwei Jahre bevor der Status Kosovos auf 1963 mit der Aufhebung der Autonomie zurückgesetzt wurde, hat, wie es offiziell vom Staat Jugoslawien hieß, der 20-jährige Albaner Aziz Kelmendi in einer Militärkaserne im serbischen Paracin vier Militärkameraden in der Nacht erschossen. Ganz zufällig waren die vier Opfern folgender Nationalitäten: bosniakisch, serbisch, kroatisch und slowenisch. Ganz zufällig began Kelmendi nach der Tat Suizid. Soviel zur offiziellen Tatbeschreibung. Nach diesem Massaker herrschte in ganz Jugoslawien entsetzen. In Serbien und Kosovo wurden nach dem Vorfall albanische Häuser und Läden geplündert oder eingebrochen, Serben pilgerten zum Grab von Rankovic, es wurde noch mehr Polizei in den Kosovo geschickt, noch mehr willkürliche Verhaftungen. Das übliche halt. Acht Albaner wurden daraufhin verhaftet. Der Bruder eines Verhafteten war mit meinen Vater als Asylant in Deutschland und hat meinem Vater gesagt, dass Kelmendi nicht die vier Männer geschossen hat. Klar kann ich jetzt lügen. Aber aktuell wird in Serbien nach Druck der Medien wieder darüber diskutiert, wer in der Bar "Panda" im Kosovo 1998 sechs serbische Jugendliche hingerichtet hat. Das Thema hat einen neuen Schwung bekommen, nachdem Vucic selbst, der als Propagandaminister unter Milosevic aggierte (demnach sehr gut informiert war), selbst Andeutungen gemacht hat, dass die Täter in den eigenen Reihen zu suchen sind.
Während die Serben einen Milosevic nachgejubelt haben, standen die Albaner vereint hinter Rugova. Einen Mann, der stets auf die friedliche Lösung aus war. Jetzt ist die Frage: was zum Geier hätten wir Albaner noch (durch)machen sollen, dass die Ausrufung der Unabhängigkeit nicht völkerrechtswidrig ist?? Falls nach all diesem Hintergrund (und die unmittelbare Vorgeschichte der 90ern in Kroatien und Bosnien hab ich gar nicht erwähnt) jemand immer noch meint, die Albaner hätten nach Völkerrecht nicht das Recht dazu gehabt, dann ist das gesamte Völkerrecht für die Mülltonne und man kann denjenigen Länder keinen Vorwurf machen, wenn sie sich nicht daran halten