Kurdologie in Europa
Anfänge
Europa wurde zum ersten Mal durch
Dominikanermönche mit den Kurden bekannt. Anfangs waren es Italiener, die auch im Auftrag des
Vatikans Forschungen über die Kurden trieben. Der Mönch Domenhico Lanza lebte zwischen 1753 und 1771 bei
Mosul und veröffentlichte ein Buch mit dem Titel
Compendiose realizione istorica dei viaggi fatti dal Padre Domenico Lanza dell'Ordine dei Predicatori de Roma in Oriente dall'anno 1753 al 1771. Der
Missionar und Reisende Maurizio Garzoni verbrachte 20 Jahre bei den Kurden von
Amediye und Mosul. Er verfasste zwischen den Jahren 1764 und 1770 ein italienisch-kurdisches Wörterbuch mit etwa 4500 Worten. Das Werk wurde 1787 in
Rom unter dem Titel
Grammatica e Vocabolario della Lingua Kurdi veröffentlicht. Mit dem wachsenden Interesse Europas am
Osmanischen Reich wurden noch andere Personen auf die Kurden aufmerksam. Garzonis Buch wurde 1826 wieder aufgelegt. Das erste europäische Buch, das sich mit der Religion der Kurden beschäftigte, erschien 1818 in
Neapel. Es hieß
Storia della regione del Kurdistan e delle sette di religione ivi esistenti und wurde von Giuseppe Camapanile geschrieben. Der italienische Missionar und Forscher Alessandro de Bianchi veröffentlichte 1863 ein Buch über kurdische Kultur, Traditionen und Geschichte.
Deutsche Forschungen
Die älteste Erwähnung der Kurden in einem deutschen Werk stammt von Johann Schitberger aus dem Jahr 1473. 1799 erwähnt Johann Adam Bergk in seiner Länderkunde auch die Kurden. Andere deutsche Werke sind
Reise nach Persien und dem Land der Kurden von Moritz Wagner aus dem Jahr 1852.
Helmuth von Moltke schrieb im Zuge seines Aufenthaltes im Osmanischen Reich auch über Kurden in seinem Werk
Briefe über die Zustände und Begebenheiten in der Türkei. Die Kurden fanden auch in die Literatur Eingang. Das prominenteste Beispiel ist
Karl Mays Durchs wilde Kurdistan von 1892. Der Zeitraum von 1840 bis 1930 war der fruchtbarste Abschnitt der Kurdologie in Deutschland. Deutschland war zu der Zeit das Zentrum der Kurdologie in Europa. Bedingt durch seine guten Beziehungen zum Osmanischen Reich, dem es bei der
Reformierung der Armee und dem Bau der
Bagdadbahn half, hatte deutsche Forscher einen guten Zugang zum Reich und dessen Bewohnern. Die
Humboldt-Universität zu Berlin unterhielt jahrelang einen kurdischen Lehrstuhl. Derzeit kann - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - auf Angebote am
Institut für Kurdologie - Wien[SUP]
[1][/SUP], den Studienschwerpunkt Kurdologie in der Iranistik der Universität Göttingen[SUP]
[2][/SUP], der "Mustafa Barzani Arbeitsstelle für Kurdische Studien" an der
Universität Erfurt[SUP]
[3][/SUP] sowie den Fachbereich Iranistik mit kurdischem Studienschwerpunkt der Freien Universität Berlin[SUP]
[4][/SUP] verwiesen werden.
Russische Forschungen
Die Konkurrenten der deutschen Kurdologen stellten die russischen Kurdologen da. Das expandierende Russland kam oft in kriegerischen Kontakt mit dem Osmanischen Reich. Russland wollte sich einen Zugang zum
Schwarzen Meer und in den
Kaukasus verschaffen, wenn nicht sogar
Istanbul erobern. Die Russen kamen über den Kaukasus mit dem östlichen Teil des Osmanischen Reiches in Berührung, wo sie dann mit ihren Forschungen über die Kurden begannen. Zu nennen wären da der russische Diplomat aus Erzurum
August Kościesza-Żaba, der 1879 ein französisch-kurdisches Wörterbuch mit Hilfe
Mahmud Bayazidis veröffentlichte. Zum Zentrum der kurdischen Studien wurde die
Universität Sankt Petersburg. Żaba und andere Diplomaten wie
Basil Nikitin sammelten kurdische Handschriften und zeichneten mündliche Geschichten auf. Unter anderem wurde zum ersten Mal das
Scherefname ins Russische übersetzt. Das Original des Werkes gelang nach dem
Russisch-Iranischen Krieg von 1828 nach Sankt Petersburg.
Kurdologie in der Türkei
Bedingt durch die türkische Politik wurden die Kurden jahrzehntelang nicht als Forschungsobjekt wahrgenommen. Einige Arbeiten über Kurden wie zum Beispiel von Fahrettin Kırzıoğlu dienten dazu, die Kurden als türkischstämmig oder als ein turanisches Volk darzustellen und standen im Einklang mit der türkischen Geschichtsthese. Erste Arbeiten, die von der staatlichen Hypothese abwichen, wurden von
İsmail Beşikçi verfasst. Erst mit der Lockerung der türkischen Negierungspolitik gegenüber den Kurden erschienen akademische Arbeiten über die Kurden. An der 2007 gegründeten Mardin Artuklu Üniversitesi wurde am Institut für lebende Sprachen ein Lehrstuhl für kurdische Sprache und Literatur eingerichtet. Des Weiteren sollen auch an anderen Universitäten Kurdologie-Lehrstühle eingerichtet werden.