Sonne,
wir beide scheinen historisch interessierte Menschen, aber keine Historiker. Man kann sich als Laien über Sach- und Fachpublikationen, herangezogenen Quellen und ihre Würdigung streiten etc. Aber mit Aussagen wie den letzten diskreditierst du dich selbst für wirklich ernsthafte Gespräche zu diesem Thema. Und dass dann auch kein türkischer User wirklich auf dich oder solche Threads eingehen mag, kann ich dann auch verstehen. So öffnest du niemandem die Augen, was ja nach deinen eigenen Angaben dein Ziel ist oder bringst jemanden dazu, sich darauf ernsthaft einzulassen.
P.S. Um es noch mal zu betonen: Es geht auch nicht darum, dass man Lewy nicht hinterfragen oder nun seine Schlussfolgerungen teilen soll oder muss. Aber ernsthaft Interessierte sollten sich das Werk vornehmen. Wie ich sehe, gibt es das auch mittlerweile wohl auf Deutsch
Danke Lilith, Meine letzte Aussage war auch so gemeint das ich einige herauslocke aus Ihrer Erstarrung.
Es ist auch kein türkischer User auf meine Quellen eingegangen,
Das einzige was ich höre ist, das die Quellen die ich poste als nicht seriös angesehen werden, weil diese ja nicht die türkisch nationalistische Position bejahen.
Wie auch immer:
Hier eine Rezesion des Buches von Guenter Lewy vom Rezensionsjournal
Das Buch von Guenter Lewy, einem emeritierten Politologen und Holocaustforscher an der University of Massachusetts-Amherst, befasst sich mit den "Armeniermassakern in der osmanischen Türkei", wie der Haupttitel lautet. Lewy war fasziniert, wie er schreibt, einem Detektiv gleich den Argumenten und Belegen einer hoch brisanten und zerklüfteten Historiografie nachzugehen (xi). Sein Buch ist auf weite Strecken ein quellenkritisches Resümee der Sekundärliteratur und publizierter Dokumente in westlichen Sprachen. Neben dieser für sich selbst und seine Leser vorgenommenen "Klärung" (xii) ist seine "Schlüsselfrage" (245) diejenige nach dem Vorsatz ("premeditation") für die Armeniermassaker. Seine Ambition liegt darin, eine "alternative Erklärung" (252) zu liefern, jenseits "der armenischen" und "der türkischen Position".
Lewy gliedert sein Buch in vier Teile: Ein erster einführender über Vorgeschichte und Kontext des Themas; ein zweiter, betitelt als "Two rival historiographies", über Kernargumente der jeweiligen Positionen; ein dritter und längster enthält Lewys Resümee wichtigster Ereignisse und eine Quellendiskussion; am Schluss steht seine "alternative Erklärung". Darauf folgt noch ein Epilog zum Thema "Politisierung der Geschichte"; er spricht die armenische Bemühung um Anerkennung, geschichtspolitischen türkischen Druck auf höchster diplomatischer Ebene in Israel und den USA sowie die Frage nach der Zukunft der türkisch-armenischen Beziehungen an.
Lewy arbeitet zielbewusst, auf breiter Literaturbasis und, so scheint es, akribisch. Und doch stimmt einiges nicht. Kévorkian hat er an zwei verschiedenen Stellen ganz falsch verstanden: Kévorkian spricht weder von insgesamt 870.000 armenischen Deportierten noch von insgesamt 630.000 Todesopfern, wie Lewy vorgibt (236, 240) sondern von "ca. 870.000" vorläufig Überlebenden der Deportation, "die sich in Syrien 'wieder angesiedelt' vorfanden", von denen in den Wüstenlagern "ca. 630.000, davon 200.000 massakriert in den Gegenden von Rasulayn und Der Zor," gestorben seien (Revue d'Histoire Arménienne Contemporaine 1998, 14, 61). Ärgerlich, dass dieses falsche Zitat des renommierten Forschers bereits Eingang in ein englischsprachiges Interview der türkischen Zeitung Zaman gefunden hat (24.4.2006).
Auch Christian Gerlachs Artikel "Nationsbildung im Krieg" zitiert Lewy nicht zutreffend. Gerlach weist darin darauf hin, dass gewisse Befunde sich "mit dem Bilde eines straff zentral gesteuerten Vernichtungsprogramms kaum vereinbaren" ließen. [6] Bei Lewy erscheint dies so, als würde Gerlach die Vorstellung einer vom Zentrum ausgehenden Vernichtungspolitik zurückweisen (248). Tatsächlich lässt Gerlach in seinem Artikel keinen Zweifel an jungtürkischer Vernichtungspolitik im Rahmen eines, wie er es nennt, "Massenraubmords" an den Armeniern. Ronald Suny, Hilmar Kaiser und Donald Bloxham zitiert Lewy als Kritiker intentionalistischer Muster im Sinne Vahakn Dadrians (249). Er sagt aber nicht, dass alle drei die "tragischen Ereignisse von 1915-16", wie Lewy sie oft benennt, als Genozid verstehen und ihm daher widersprechen, was seine Schlüsselfrage nach Vorsatz und Regierungsverantwortung betrifft.
Lewy peilt explizit die These an, man könne "die Schuld der Zentralregierung der Türkei für die Massaker von 1915-16" nicht belegen. Zwar gäbe es im Falle des Holocausts auch keinen schriftlichen Befehl, doch könne hier der Entscheidungsprozess aus "Aussagen vor Gerichten" und "reichhaltigen authentischen Dokumenten" belegt werden (250). Die These von der Unschuld der Zentralregierung leitet Lewys "alternative Erklärung": Er schiebt die Verantwortung auf lokale Killer, vor allem Kurden, ab; das Verhungernlassen in den behördlichen Lagern in Nordsyrien legt er als Resultat allgemeinen Mangels aus.
In einem etwas widersprüchlichen Schlusssatz schwächt er seine These ab, wenn er sagt, die Regierung trage "Verantwortung für die schlimm aus dem Ruder gelaufenen Deportationen, die Schuld an den Massakern jedoch, die stattfanden, müsse jenen angelastet werden, die wirklich töteten" (257). Sein Satz freilich "it is impossible to prove conclusively that the young Turk regime did not initiate a program of deliberate genocide in the spring 1915", der in der "Search inside"-Version bei Amazon noch erscheint (256), wurde offenbar im letzten Moment vor der Drucklegung gestrichen.
Die These Lewys ist inkohärent. Sie geht von einer unrealistisch naiven CUP-Zentralregierung aus, die wohlmeinend, aber überfordert, kurzsichtig und in Panik gewesen sei. So belesen Lewy ist, spiegelt sein Buch zudem in mancher Hinsicht noch die Diskussionslandschaft der 70er- und 80er-Jahre. Damals ließ sich ansatzweise von einer historiografischen Dichotomie zwischen armenischer und türkischer Position sprechen. Seither ist eine breite wissenschaftliche Produktion jenseits solcher Positionen und jenseits nationalistischer Rückbindungen entstanden, die den Armeniermord als Zusammenspiel zentraler und lokaler Kräfte und einen Prozess kumulativer Radikalisierung vor dem Hintergrund langfristiger ideologischer Optionen zu beschreiben weiß.
Lewy geht bewusst nicht auf den Genozidbegriff ein (xii), obwohl der Untertitel seines Buches "a disputed genocide" lautet; er gehorcht aber implizit einer Vorstellung von Genozid im Sinne von intentionalistisch verstandenem Holocaust; vor diesem Hintergrund ist seine Kernfrage nach "premeditation" zu verstehen. Raphael Lemkin erwähnt er nicht. Wie in seinem Werk über den Sinti und Romamord (The Nazi persecution of the gypsies, Oxford 2000) tendiert er dazu, den Begriff Genozid entgegen Lemkin und der etablierten Begrifflichkeit exklusiv für den Holocaust zu reservieren. Man kann Lewy aber zugute halten, dass er Exzesse türkischer Leugnungstradition wie auch die These vom Bürgerkrieg (252) zurückweist und durchblicken lässt, dass die bisherige Erinnerungspolitik der Türkei die Würde der armenischen Opfer und ihrer Nachfahren schwer verletzt habe.
SEHEPUNKTE - Rezension: Der Völkermord an den Armeniern 1915/16: neueste Publikationen - Ausgabe 7 (2007), Nr. 3
Das Essay von Akcam über das Buch:
Die Hauptthese des Buches ist das Lewy den Völkermord verneint, weil es kein Dokument existiert der Zentralregierung.
Wie soll er auch ein Dokument zu finden sein, wenn die Türkei zweimal ihr Archiv gereinigt hat und alle Beweise die einen Völkermord ihr nahcweisen würden vernichtet bzw. versteckt hat.
http://www.armenica.org/material/Akcam_Lewy.pdf
Wie im Essay vom Rezensionsjournal treffend beschrieben ist.
Die These Lewys ist inkohärent. Sie geht von einer unrealistisch naiven CUP-Zentralregierung aus, die wohlmeinend, aber überfordert, kurzsichtig und in Panik gewesen sei. So belesen Lewy ist, spiegelt sein Buch zudem in mancher Hinsicht noch die Diskussionslandschaft der 70er- und 80er-Jahre. Damals ließ sich ansatzweise von einer historiografischen Dichotomie zwischen armenischer und türkischer Position sprechen. Seither ist eine breite wissenschaftliche Produktion jenseits solcher Positionen und jenseits nationalistischer Rückbindungen entstanden, die den Armeniermord als Zusammenspiel zentraler und lokaler Kräfte und einen Prozess kumulativer Radikalisierung vor dem Hintergrund langfristiger ideologischer Optionen zu beschreiben weiß.
Lewy lebt mit seinem Buch in den Stand der Geschichtsforschung in den 70er und 80er Jahren.