Über Völkermord, Absichten & Taten
24. April 2014 | Filed under: Geschichte and tagged with: Armenier, Studie, Türkei, Völkermord
Falls sich jemand mal gefragt haben sollte, wie ich meine Themen auswähle, also nach welchen Kriterien, dann soll er oder sie wissen, dass es viel mit persönlichen Erlebnissen zusammenhängt. Also mit dem, was um mich herum so tagtäglich passiert und was mich emotional berührt.
Vielleicht ist das eine kleine Hilfe für all diejenigen, die nie wissen, worüber sie denn schreiben sollen.
Neue Studie: Kein Völkermord an Armeniern
Bei meinem täglichen Streifzug durch die (sozialen) Medien bin ich auf einen Post eines Kollegen gestoßen. Er machte auf einen Artikel aufmerksam, bei dem US-Wissenschaftler herausfanden, dass es 1915 keinen Völkermord an den Armeniern in der Türkei gab. Das behauptet die Türkei übrigens seit Jahren.
Ich will gar nicht so sehr auf die Frage eingehen, ob Armenier damals getötet wurden oder nicht. Dazu fehlt mir das detaillierte geschichtliche Know-how. Es widerspricht jedoch dem Verständnis im Osmanischen Reich gegenüber Andersgläubigen. Im Osmanischen Reich lebten Griechen, Armenier, Bosnier, Albaner, Türken, Turkmenen, Kurden nämlich eher problemlos miteinander. Man fühlte sich eher stark, einer Großmacht zugehörig zu sein. Eher als heute in einer demokratisierten, aber national-orientierten Türkei.
Die Osmanen haben den gesamten Balkan erobert, jedoch keinem Volk die Sprache oder die Religion aufgezwungen (im Gegensatz z.B. zu den Europäern in Afrika oder Südamerika). Es gibt (Teile von) Bevölkerungen im Balkan (Kosovo, Bosnien, Mazedonien..), die immer noch eine starke Bindung zur Türkei haben. Auch fast ein Jahrhundert nach Abriss der engen Beziehungen.
Ich will nicht abstreiten, dass es in der chaothischen Zeit im ersten Weltkrieg Massentötungen kam. Das geschieht selbst heute, wenn es darum geht, in einer Neugestaltung eines Landes Macht an sich zu ziehen (siehe Irak). Aber dem Wesen des Osmanischen Reiches entsprach es nicht, Menschen nur aufgrund ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit zufolge, systematisch zu ermorden.
Zu diesem Schluss kommen auch die US-Wissenschaftler in ihrer neuesten Studie.
Mord oder Totschalg – Ist doch alles dasselbe!?
Es erfolge eine Reaktion auf den Beitrag:
aha…da die Absicht zu keinem Zeitpunkt vorlag, war es kein Völkermord, es waren ‘nur’ Massaker…ich nehme an, dass das fuer die Opfer und ihre Familien keinen Unterschied macht…
Natürlich macht es für die Opfer und deren Familien keinen Unterschied. Ob aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit oder so getötet, tot ist tot. Aber für zwei Gruppen spielt die Absicht und damit die genaue Definition der Ereignisse eine wichtige Rolle:
Für potenzielle Nutznießer
Für die Beschuldigten
Ich habe bisher in zwei Artikeln Kapitel aus dem Buch “Die Holocaust-Industrie” von Norman Finkelstein vorgestellt. Darin berichtet der Autor, dass bis zu den 1960er Jahren keiner sich so richtig für den Mord an den Juden interessierte, danach jedoch eine Industrie aufgebaut wurde, um z.T. mit erfundenen Holocaust-Erlebnissen Kapital zu schlagen.
Folglich stellten sich auch Unbeteiligte – also im Ausland lebende Juden – an, um Entschädigungszahlungen von Deutschland zu fordern. Finkelstein sagt, dass der Holocuast von Juden als einzigartig und damit auch die Juden einzigartig zu sein glauben. Daher unternimmt man auch alles, um den Holocaust-Begriff allein für sich zu vereinnahmen.
Für die Beschuldigten spielt es eine Rolle, da je nach Anschuldigung entweder der Ruf eines Völkermörders anlastet, der rein aus rassistischen Motiven heraus gehandelt hat oder es zu einem Massaker gekommen, das so nicht beabsichtigt war (Armenier wurden im Krieg nach Osten gebracht, dort kam es zu Konflikten mit kurdischen Stämmen und zu Massentötungen).
Spielt das denn eine Rolle? Ja! Hinsichtlich des Strafmaßes, der Geschichte und des späteren Rufes.
Die Absicht
§211 des Strafgesetzbuches der BRD definiert einen Mörder wie folgt:
handelt aus Mordlust
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln
um eine andere Tat zu verdecken
D.h. wenn du nicht aus Mordlust, heimtückisch, grausam etc. handelst und dennoch jemanden umbringst, dann bist du erst einmal kein Mörder. Du hast zwar jemanden getötet, aber du hast keinen Mord begangen.
Beispiel: Du wurdest angegriffen. Du hast dich gewehrt und dabei mit dem Messer des Angreifers diesen getötet. Ist das Mord? Nein. Totschlag? Ja. Entsprechend differenziert die deutsche Rechtsprechung, weil du nicht die Absicht hattest, den Mann zu töten. Entsprechend anders fällt dann auch das Strafmaß aus. Ich gehe jetzt mal von einer Effekttötung aus und nicht davon, dass der Angreifer schon aufgab, du jedoch – diesmal doch aus Mordlust oder grausam – den wehrlosen Angreifer tötest.
Was war hier also entscheidend? Die Absicht.
Die Taten entsprechen den Absichten
Der zweite Kalif des Islams Umar Ibn al-Khattab übermittelt einen Hadith des letzten Propheten Muhammad (sav)
„Wahrlich, die Taten sind nur entsprechend den Absichten, und jedem Menschen steht wahrlich das zu, was er beabsichtigt hat. Wer also seine Auswanderung (Hidschra) um Allahs und Seines Gesandten willen unternimmt, dessen Auswanderung ist für Allah und Seinen Gesandten; wer aber seine Auswanderung des irdischen Lebens willen unternimmt, es zu erlangen, oder wegen einer Frau, sie zu heiraten, dessen Auswanderung ist für das, um dessentwegen er auswanderte.“
Das heisst, im 7. Jahrhundert gab es schon einen Mann, der mitteilte, dass die Absicht einer Handlung wichtig für die Handlung selbst ist. Noch bevor es irgendeine deutsche Rechtssprechung gab. Ein Satz, der noch heute Einklang in der Rechtssprechung findet. Und berücksichtigt: Muhammed (sav) konnte weder schreiben noch lesen. Sein Wissen kam von Allah.
Geschichte wiederholt sich
Wir sehen aktuell in der Ukraine, wie Dinge sich verselbständigen können. Im Osten bewaffnen sich Menschen und töten Menschen. Die Regierung ist schwach und kann absolut nichts dagegen tun.
Wir werden es schwer haben, unseren Kindern zu erklären, wie ein Staat tatenlos zusehen kann, dass Bürger sich praktisch verselbständigen und mehr Macht haben als die Regierung selbst. Aber so ist es nun einmal. Die Ukraine ist finanziell angeschlagen, Strukturen sind kaputt.
So wie es jetzt dem Westen schwer fällt, zu glauben, dass die Tötungen der Armenier nicht staatlich angeordnet wurden. Dabei befand sich das Osmanische Reich damals in einem Weltkrieg und zudem an ihrem Ende. Wieso fällt es schwer zu glauben, dass der Staat zwar die Angriffe auf die Armenier gesehen (übrigens sollen auch die Kurden damals von den Russen unterstützt worden sein, einen unabhängigen Staat bekommen zu können) und dennoch nichts unternehmen konnte? Warum kann man dies der Ukraine zugestehen, dem Osmanischen Reich nicht? Die Ukraine kämpft nicht einmal an mehreren Fronten.
Fazit
Ich hoffe, ich konnte verständlich aufzeigen, dass es eine Tötung der Armenier gegeben haben mag, dies jedoch nicht zwangsläufig ein Holocaust, ein Völkermord sein muss. Es gab Massaker in Afrika, im Libanon oder in Palästina. Keiner ist hingegangen und hat hier von Holocaust gesprochen. Nicht einmal die Betroffenen selbst.
Stattdessen versuchen wie Finkelstein sagt, offensichtlich einige Kapital aus etwas zu schlagen, dass den Opfern und deren Familien selbst, nichts mehr bringt. Vielmehr ist es wichtig, eine Lobby aufzubauen, die immer wieder das Thema zur Sprache bringt. Dagegen werden Massenmörder wie Ariel Sharon – auch bekannt als der Schlächter von Libanon – als “Kriegshelden” gefeiert, denen sogar Wachsfiguren gewidmet werden.
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