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Die unheimlich rätselhafte Pamela Rendi-Wagner
21.05.2021 um 18:47
von
Anneliese Rohrer
Während der Bestand der Koalition ständig infrage gestellt wird, tauchen vor dem SPÖ-Parteitag starke Zweifel am Führungsstil der Vorsitzenden auf.
Auf die Idee muss man erst einmal kommen: Von einem „historischem Wahlsieg“ und einem „sensationellen Ergebnis“ zu sprechen, wenn 13.054 Studierende bei der Wahl zur Österreichischen Hochschülerschaft dem Verband Sozialistischer StudentInnen Österreichs (VSStÖ) ihre Stimmen geben – bei einer Beteiligung von 15 Prozent.
Auf die Idee auch: Statt Armin Wolf in der „ZiB2“ am Abend einer der wichtigsten Parlamentssitzungen Rede und Antwort zu stehen, dem TV-Sender Wolfgang Fellners die Ehre zu geben, obwohl sich SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek einem Aufruf zum Boykott des Senders wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung dort angeschlossen hatte.
Oder auf die: Dem Landeshauptmann des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil, den Rücktritt bei einer Anklage wegen Falschaussage im Untersuchungsausschuss des Landes – Stichwort: Commerzialbank-Skandal – nahezulegen, obwohl die ganze Aufmerksamkeit der SPÖ den Turbulenzen um Bundeskanzler Sebastian Kurz gelten sollte.
In wenigen Wochen wird sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner beim Parteitag ihrer ersten Wiederwahl stellen. Könnte sein, dass sich dort manche Delegierte dieselbe Frage stellen, die seit mindestens neun Monaten immer auftaucht: Warum gelingt es der SPÖ mit einer ausgewiesenen Fachfrau in der Pandemie nicht, von den Fehlern und Problemen der Regierung in den Umfragewerten zu profitieren? Sollten sie das tun, dann könnte es sein, dass das Ergebnis für Rendi-Wagner mehr als mittelmäßig ausfällt. Könnte sein, muss aber nicht, denn die Diskrepanz zwischen Parteitagsvoten und innerparteilicher Realität hat Tradition. Es gibt kaum etwas Verlogeneres als eine über 90-prozentige Zustimmung.
Oder andere fragen sich vielleicht angesichts der oben angeführten Ideen: Wer um alles in der Welt berät die Vorsitzende der Partei? Oder: Warum lässt sie sich Querschüsse wie zuletzt jene des niederösterreichischen SPÖ-Chefs, Franz Schnabl, gefallen? Dieser hat von einer SPÖ-geführten Regierung mit Grünen und Neos unter freundlicher Unterstützung durch die FPÖ fabuliert – ohne Neuwahl, obwohl sie selbst jede Variante ohne vorherigen Urnengang ausgeschlossen hat. Oder: Warum hat es Rendi-Wagner seit 2019 verabsäumt, sowohl in der Bundespartei als auch im Parlamentsklub für sichtbare personelle Veränderungen zu sorgen?
Die Antwort fällt, sofern man sie sucht, erstaunlich einfach aus. Sie habe, erfährt man, keinen kompakten Beraterstab um sich aufgebaut. War schon die Installierung von Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, die personifizierte Erinnerung an jeden Parteifunktionär alten Schlages, kein Zeichen für Erneuerung, so soll die Kommunikation sogar mit ihm unter- oder abgebrochen sein.
Wer also berät Rendi-Wagner? Da fallen immer nur zwei Namen, bei einem dritten herrscht Ungewissheit. Das Ohr der Vorsitzenden habe zum einen Kommunikationschef Stefan Wenzel-Hirsch, zum anderen Nedeljko Bilalic. Ob Nationalratspräsidentin Doris Bures die Dritte im Bunde ist, lässt sich nicht bestätigen. Bilalic jedenfalls war 2009 Kommunikationschef der SPÖ unter Laura Rudas und sorgte zehn Jahre später nach Bekanntwerden seines Superhonorars als Berater für erhebliche Aufregung.
Warum niemand Rendi-Wagner wenigstens von dem OE24-Fauxpas abgehalten habe? Weil sie kein Netzwerk habe, Entscheidungen nicht erkläre, Ein- oder Widerspruch nicht dulde und von Misstrauen geplagt sei. Letzteres wäre sogar verständlich, bedenkt man, wie manche Männer, vom Burgenland über Wien bis nach Tirol, mit ihr seit ihrer Wahl an die Parteispitze umgesprungen sind. Einsam lässt sich die SPÖ aber nicht führen.
Vor diesem Hintergrund wird der SPÖ inhaltlich kaum eine Erzählung gelingen, mit der sie der Regierung Paroli bieten kann. So wird der Wahlerfolg des VSStÖ bis auf Weiteres wohl der letzte „historische“ bleiben.
(Die Presse)