Großmufti Kavazović: "Der Glaube wird zur politischen Mobilisierung missbraucht"
Husein Kavazović, geistliches Oberhaupt der Islamischen Glaubensgemeinschaft auf dem Balkan und Befürworter der Verständigung zwischen den Religionen, spricht im Interview über den Nahostkonflikt
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In Sarajevo, einer Stadt mit einer muslimischen Mehrheit, müssen – anders als im Rest Europas – jüdische Einrichtungen auch heute nicht geschützt werden. Muslime und Juden versuchen sich auch durch die derzeitige Nahost-Kriegspropaganda nicht entzweien zu lassen. Großmufti Husein Kavazović führt die Tradition der Verständigung zwischen den Volksgruppen weiter und kritisiert die Vermischung von Politik und Religion.
STANDARD: Als die Juden im 15. Jahrhundert aus Spanien vertrieben wurden, wurden sie in Sarajevo, damals Teil des Osmanischen Reichs, mit offenen Armen empfangen. Das Judentum kam etwa zur gleichen Zeit wie der Islam nach Bosnien und Herzegowina. Welche Traditionen erfolgen daraus?
Kavazović: In Bosnien herrschte schon immer ein beneidenswertes Niveau des gemeinsamen Lebens von Angehörigen verschiedener Religionen, selbst in einer Zeit, die in der Geschichte der Menschheit nicht für Toleranz und Zusammenleben bekannt ist. Schon vor der Ankunft des Islam und der sephardischen Juden trug Bosnien im Mittelalter den Titel "Land der Ketzer", da die Mehrheit der damaligen Bosnier sich der Vorherrschaft der Katholiken und der orthodoxen Kirchen widersetzte. Bosnien beruhte nie auf Einheitlichkeit.
Husein Kavazović, geistliches Oberhaupt der Islamischen Glaubensgemeinschaft auf dem Balkan und Befürworter der Verständigung zwischen den Religionen, spricht im Interview über den Nahostkonflikt
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