Die Türkei ist das Land der Rekorde
Führend bei der Anzahl der Privatflugzeuge des Staatspräsidenten und der Zählung inländischer Staatsfeinde:
Erdogan hat acht Flugzeuge, wir haben mindestens vierzig Millionen Terroristen.
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Wir täten der Türkei Unrecht, würden wir sagen, sie liege bei allen internationalen Statistiken auf den hintersten Rängen. Ja, kann sein, dass wir auf der Liste „Primat des Rechts“ um zehn Plätze abgerutscht sind und nun an sechzigster Stelle stehen. Richtig, im Ranking des Zugangs zu qualifizierter Bildung liegen wir auf Platz 118. Und manche werden daran erinnern, dass wir im weltweiten Pressefreiheitsindex in Reihe 154 stehen. Aber es gibt auch Listen, bei denen wir uns den ersten Platz nicht nehmen lassen. Unter den EU-, OECD- und G-20-Mitgliedstaaten etwa haben wir die höchste Inflation, da führen wir! In Sachen Einkommensungleichheit haben uns Mexiko und Chile den Rang abgelaufen, wir müssen uns mit Platz drei zufriedengeben. Auch in der Armutsstatistik sind wir weiter gut im Rennen, mit dem Recht des Stärkeren sind wir Nummer vier auf der Welt.
In Führung liegen wir auch in einer weiteren Disziplin, die uns niemand streitig machen kann, unseren stärksten Konkurrenten haben wir um das Vierfache geschlagen: bei der Anzahl der Privatflugzeuge unseres Staatspräsidenten. Wir sind zwar nicht die größte Wirtschaft der Welt, aber beim Besitz von Privatjets haben wir sogar die führende Wirtschaftsmacht Vereinigte Staaten hinter uns gelassen. Das hatte
Erdogan vermutlich nicht gemeint, als er sagte: „Unsere Wirtschaft hebt ab.“ Das einzige, was in der Türkei abhebt, sind Arbeitslosigkeit, Armut und Erdogans acht private Flieger. Einen hatte ihm der Emir von Qatar geschenkt, die anderen sieben wurden auf Kosten der Steuerzahler angeschafft. Die Betriebskosten aller, auch des Geschenkten, zahlen wiederum wir alle gemeinsam.
Und noch eine Liste führen wir unbestritten an: Fünf türkische Bauunternehmen schafften es unter die Top 10 der Gewinner staatlicher Ausschreibungen weltweit. Die Unternehmen auf Platz eins, drei, vier, sieben und acht sind, mit Erdogans Worten, „einheimische und nationale“ türkische Firmen. Gemäß Weltbank-Report erhielten diese fünf Bauunternehmen seit Erdogans Regierungsantritt 2002 den Zuschlag für staatliche Ausschreibungen im Wert von rund 120 Milliarden Euro. Neue Straßen, Brücken, Staudämme, Flugplätze, welche Megaprojekte auch immer Ihnen in den Sinn kommen, gingen an diese Firmen. Und sie kassierten nicht bloß diese Summen. Für die betreffenden Ausschreibungen haben wir uns bis in die Generation unserer Enkel verschuldet. Zum Ausgleich der den Kunden garantierten Einnahmen werden wir für die von diesen Firmen errichteten Krankenhäuser bezahlen, auch wenn wir nicht krank sind, werden die Gebühren für Brücken, über die wir nie fahren, auf die Konten dieser Unternehmen einzahlen.
Führend bei der Anzahl der Privatflugzeuge des Staatspräsidenten und der Zählung inländischer Staatsfeinde: Erdogan hat acht Flugzeuge, wir haben mindestens vierzig Millionen Terroristen.
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