BRIEF AUS ISTANBUL: So blättert der Lack des Regimes ab
Was Recep Tayyip Erdoğan sagt, ist das eine, was er tut, ist meist das Gegenteil davon. Was passiert wohl, wenn er von Demokratie redet?
Tu, was der Imam sagt, aber tu nicht, was er tut“, lautet ein Sprichwort bei uns. Ein Hinweis darauf, dass Geistliche imstande sind, das Gegenteil von dem zu tun, was sie ihrer Gemeinde nahelegen. Ausgehend von Imamen bringt der Spruch zum Ausdruck, dass womöglich jeder anders handelt, als er anderen zu handeln empfiehlt. Unter uns: Das Sprichwort trifft wunderbar auf Erdoğan zu, der sich als Ökonom bezeichnet, obwohl er ein Imam-Prediger-Gymnasium absolviert hat. Denn er tut genau das Gegenteil von dem, was er gesagt hat, und zwar bereits kurze Zeit später.
Kürzlich verdammte Erdoğan auf einem Gipfeltreffen zum Thema islamische Finanzmodelle den Kapitalismus in Grund und Boden: „Das kapitalistische System sieht zwar so aus, als fördere es den freien Markt, belohnt aber tatsächlich Monopolisierung und Verdienen von Geld mit Geld. Wir alle müssen einräumen, dass dieses System, das Arme nur noch ärmer macht, nicht die Lösung für unsere Probleme sein kann. Die Vermögensungleichheit hat historisch gesehen heute weltweit ihr höchstes Niveau erreicht.“
Was Recep Tayyip Erdoğan sagt, ist das eine, was er tut, ist meist das Gegenteil davon. Was passiert wohl, wenn er von Demokratie redet?
www.faz.net