Wie war das noch mal mit Neutralität und Unabhängigkeit der Justiz?
Angela Merkel lädt ausgerechnet jene Verfassungsrichter zu sich zum Abendessen, die wenige Wochen später eine Klage gegen sie verhandeln müssen. Das hat einen faden Beigeschmack. Nicht nur wegen des Abendessens.
Schön für die Herren und Damen, die sich sicher gut unterhalten haben: Bald hat man wieder miteinander zu tun. Keine vier Wochen nach dem gemütlichen Beisammensein muss der Zweite Senat nämlich darüber urteilen, ob Angela Merkel gegen das Gesetz verstoßen hat. Es klagt die AfD. Die Partei möchte es nicht hinnehmen, dass die Kanzlerin nach der vermurksten Ministerpräsidentenwahl in Thüringen dieselbe von einer Reise in Südafrika aus als „unverzeihlichen Vorgang“ bezeichnete, der rückgängig gemacht werden müsse.
Man muss kein Freund der AfD sein, um die Forderung, dass eine Wahl „rückgängig gemacht“ werden müsse, in einer Demokratie zumindest seltsam zu finden. Als Kanzlerin könnte Merkel damit ihre Neutralität verletzt haben; als Parteipolitikerin oder Privatperson wäre ihr die Aussage wohl gestattet. Die Verhandlung wird am 21. Juli stattfinden.
Richter und Beklagte treffen sich vorab zum Abendessen? Wie war das noch mal mit Neutralität und Unabhängigkeit der Justiz? Kein neues Thema zwischen Karlsruhe und Berlin. Schon als sich im Frühjahr 2020 abzeichnete, dass Stephan Harbarth Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden würde, gab es aus verschiedenen Richtungen massive Kritik an der Entscheidung. Wie neutral kann einer dabei urteilen, der seit 1993 CDU-Mitglied ist, der im Bundesvorstand und lange Jahre im Bundestag als Abgeordneter saß?
Das alles hat einen faden Beigeschmack. Nicht nur wegen des Abendessens. Sondern auch – vielleicht sogar: vor allem –, weil die obersten Leute im Staat ostentativ demonstrieren, dass es ihnen wirklich vollkommen egal ist, welchen Eindruck sie bei den Bürgerinnen und Bürgern hinterlassen