Paokaras
Kellerkind
Was genau?
In der letzten Phase seines Bestehens griff das Osmanische Reich selbst zu einer Politik der nationalen (zunächst überwiegend religiös verstandenen) Homogenisierung. Die jungtürkische Revolution von 1908 brach letztlich dem türkischen Nationalismus Bahn, dessen Ausschließlichkeit die Nichtmuslime, vor allem Armenier, die bis dahin als die loyalste Minderheit galten, deutlich zu spüren begannen.
In der Konsequenz trafen türkische Führungs- und nichtmuslimische Autonomieansprüche zusehends aufeinander. Den Zusammenhalt des Reiches konnten die osmanischen Regierungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur noch mit Gewalt gewährleisten.
Seit den verheerenden Balkankriegen folgten radikale Maßnahmen zur Türkisierung des Landes, die sich vor allem im Bereich der Wirtschafts-, Bildungs- und Siedlungspolitik bemerkbar machten.
Schließlich eskalierten die Konflikte "im Wechselspiel von erzwungener Assimilierung von oben, Widerstand von unten" und verstärkter Repression als Antwort auf den Widerstand in den Armeniermassakern von 1895/1896 und 1909.
Im Ersten Weltkrieg wurde beinahe die gesamte armenische Bevölkerung in Kleinasien ausgerottet oder vertrieben, die griechisch-orthodoxe Bevölkerung der küstennahen Gebiete schon vor dem Krieg deportiert oder getötet.
Oft beteiligten sich auch muslimische Flüchtlinge, die einst selber Opfer von Vertreibungen geworden waren, an den Überfällen auf christliche Dörfer und ihre Einwohner. Ihre Rolle in dem Vertreibungsgeschehen in Kleinasien (1914–1922) ist bislang nicht systematisch untersucht worden. Eine Opfer-Täter-Verbindung wird jedoch oft hergestellt. So wurde etwa gezeigt, dass der Großteil der Führungskader der Jungtürken von ehemaligen Vertriebenen bzw. ihren Nachkommen abstammt. In der osmanischen paramilitärischen Sonderorganisation (Teşkilat-ı Mahsusa), die als Todesschwadron gegen die Nichtmuslime während der Einparteiendiktatur der Jungtürken eingesetzt wurde, aber auch in den unteren Kadern der jungtürkischen Partei spielten die einstigen Kaukasus- und Balkanflüchtlinge offensichtlich eine nicht unerhebliche Rolle