Russland bei Berlinale: „Der russische Film geht niemals unter“
Russland war bei der Berlinale mit insgesamt sechs Beiträgen recht solide vertreten. Hans-Joachim Schlegel, einem in Europa bekannten Filmkritiker, Theoretiker und Filmhistoriker, gefiel der Film „Pionierhelden“ der Regisseurin Natalia Kudryashova besonders gut.
„Das ist wirklich ein erstaunlich gut gemachter Film. Dazu noch der Debutfilm der Regisseurin“, betonte er in einem Interview mit Sputnik-Korrespondent Nikolaj Jolkin. „Er behandelt ein wichtiges Thema, nämlich die letzte Generation, die noch als Pioniere in der Sowjetunion aufgewachsen ist und jetzt mit der neuen Realität klar kommen muss. Der Film erzählt diese Geschichte in zwei verschiedenen Zeitebenen, die sich miteinander vermischen. Das ist ein wichtiger Film, weil er sich mit der ganzen Identität nach der Wende beschäftigt.“
Was Russlands Wettbewerbsbeitrag "Under Electric Clouds“ von Alexej German betrifft, so wunderte Hans-Joachim Schlegel, dass kaum jemand den Saal verlassen habe: „Erstaunlich, weil es ein überlanger Film ist. Nicht nur von der realen Spielzeit her, sondern auch dramaturgisch. Dem Film hätte es gut getan, wenn man die letzten beiden Szenen, also Kapitel, rausgeschnitten hätte. German jr. ist sicherlich ein begabter Regisseur. Ich habe ihn seinerzeit auch nach Venedig mitgenommen, als ich in Venedig gearbeitet habe, — mit seinem allerersten Film „Der letzte Zug“.
http://youtu.be/z0D0l3HFfKc
In seinem neuesten Streifen „verliert sich German ein wenig in seinen Ambitionen“, so der Kritiker. „Man merkt schon sein Talent, aber dieser mosaikartig aufgebaute Film steckt voller unbegreiflicher und überflüssiger Szenen. Insgesamt geht es um die Stimmung einer Apokalypse. Es ist ein sehr depressiver Film. Aber es ist gut, dass dieser Film im Wettbewerb ist.“
Auf den russischen Oscar-Anwärter „Leviathan“ von Andrej Swjaginzew angesprochen, sagte Schlegel: „Mir war es nicht begreiflich, warum die russische Premiere immer wieder aufgeschoben wurde. Wahrscheinlich wegen des Gesetzes, das jetzt Fluchen im Film verbietet.
Obwohl Fluchen auch zur Realität gehört. Wie soll man einen Film drehen, der zum Beispiel im Krieg spielt, und die Soldaten dürfen nicht fluchen? Und weil so viel getrunken wird? Aber das ist wohl eine Realität in Russland. Der Film beschreibt natürlich etwas, was nicht schön ist.
Aber man weiß, dass es in der Gesellschaft vorkommt — Korruption, Machtmissbrauch. Swjaginzew ist aber ein überaus begabter Regisseur. Die Art und Weise, wie er in seinem ersten Film Seelenlandschaften auf die Leinwand gebracht hat, das tut er in diesem Film auch, am Anfang und am Schluss. Das ist großartig. Der russische Film geht also niemals unter. Es wird immer wieder gute Filme geben.“
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