[h1]Türkei greift in Aufklärung von Ludwigshafener Brand ein[/h1]
Dienstag, 5. Februar 2008, 19:31 Uhr
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Ankara/Ludwigshafen (Reuters) - Die Türkei schaltet sich in die Untersuchung des Großbrands von Ludwigshafen ein und warnt vor ausländerfeindlichen Motiven.
"Wir wollen kein neues Solingen", sagte Ministerpräsident Tayyip Erdogan am Dienstag mit Blick auf den fremdenfeindlichen Brandanschlag mit fünf Toten vor 15 Jahren. Er hoffe, die Ursache des Feuers in dem von Türken bewohnten Haus in Ludwigshafen werde schnell geklärt, sagte Erdogan am Rande eines Treffens mit Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Ankara. Die Staatsanwaltschaft betonte, sie ermittele in alle Richtungen. Die Behörden gingen auch Aussagen zweier kleiner Mädchen nach, die einen Mann im Treppenhaus gesehen haben wollen: "Der hat mit einem Feuerzeug ein Stöckchen angezündet und das dann neben dem Kinderwagen in den Flur geworfen", sagte eines der Kinder dem Sender n-tv.
HAUS WAR IM SOMMER 2006 ZIEL VON BRANDANSCHLAG
Auf das türkische Kulturzentrum im Erdgeschoss des Hauses ist im Sommer 2006 ein Brandanschlag verübt worden, wie Oberstaatsanwalt Lothar Liebig am Dienstagabend in Ludwigshafen mitteilte. Dabei seien zunächst die Scheiben eingeworfen und dann Brandsätze hinein geschleudert worden. Das Feuer habe damals schnell gelöscht werden können, Opfer habe es nicht gegeben. Die Täter wurden allerdings nicht gefasst. Erkenntnisse zur Brandursache von diesem Sonntag gebe es noch nicht: "Wir sind noch ganz am Anfang", sagte Liebig.
Die Türkei wollte noch am Abend eigene Experten nach Deutschland schicken, um das ausgebrannte Mehrfamilienhaus zu untersuchen. Mit ihnen will der für Auslandstürken zuständige Staatsminister Mustafa Said Yazicioglu aufbrechen, um die Ruine zu besuchen und Gespräche zu führen. Auch Erdogan kündigte an, er wolle während seines Deutschlandbesuchs in dieser Woche nach Ludwigshafen fahren.
TÜRKENVERBAND MAHNT ZUR RUHE
Der Rat der Türkeistämmigen Staatsbürger in Deutschland warnte vor voreiligen Schlüssen. "Der Verdacht, dass es sich um eine Brandstiftung handelt, ist noch sehr vage, und wir hoffen, dass er sich nicht bestätigt", erklärte die Organisation in Gießen. Zunächst müssten die Ermittlungsergebnisse geduldig abgewartet werden. Doch zugleich warnte der Verband: "Für den Fall, dass es sich in Ludwigshafen um eine Brandstiftung mit ausländerfeindlichem Hintergrund handelt, werden wir schwierige Zeiten zu erwarten haben."
Bei dem Brand am Sonntagabend wurden neun Menschen, darunter fünf Kinder, getötet. Elf Verletzte liegen noch im Krankenhaus. Die Polizei hatte das einsturzgefährdete Haus am Dienstag immer noch nicht vollständig durchsucht, so dass weitere Opfer nicht ausgeschlossen werden können. Vermisst wird aber niemand mehr, auch Leichenspürhunde hätten nicht angeschlagen. Eine 50-köpfige Sonderkommission der Polizei übernahm die Ermittlungen. An dem Haus wurden Trümmer langsam abgetragen. Wegen Einsturzgefahr war das Haus noch nicht begehbar. Wann dies wieder möglich sein könnte, könne man im Moment noch nicht abschätzen, sagten Sicherheitskräfte.
Schäuble sprach bei seinem länger geplanten Besuch in Ankara Erdogan sein Bedauern und Mitgefühl aus. Eine Sprecherin sagte, die Entsendung von Experten sei nicht ungewöhnlich und werde nicht als Misstrauen gegenüber den deutschen Behörden gewertet. Die Experten seien aber keine Ermittler. "Sie dürfen fragen, aber nicht vernehmen." Auch das Bundeskriminalamt schickte eigene Spezialisten nach Ludwigshafen.
Unterdessen breite sich eine Welle der Hilfsbereitschaft in Ludwigshafen aus, sagte Bürgermeisterin Eva Lohse. Bis zum Dienstag seien bereits 33.000 Euro an Spenden eingegangen.