Drohungen vom Mafia-Paten
Doch offensichtlich war das schon mehr als genug, denn einen Tag nach der Veröffentlichung der Unterzeichnerliste wurden die Unterzeichnenden aus allen Ecken angegriffen. Präsident
Tayyip Erdogan hat uns als eine "dunkle, ignorante Bande" und "Landesverräter" beschimpft; die regierungstreue Zeitung Yeni Akit erklärte uns zu "Kollaborateuren der PKK" und veröffentlichte unsere Namen und Fotos. Innerhalb von einer Woche leiteten Universitätsleitungen und Staatsanwälte Disziplinarverfahren gegen 109 Akademiker ein, 15 davon wurden ihrer Ämter enthoben oder suspendiert, 36 Unterzeichnende festgenommen, in manchen Fällen wurden ihre Büros oder Wohnungen durchsucht.
Hinzu kamen weitere Verleumdungen durch Medien, Angriffe und Belästigungen durch ultranationalistische Gruppierungen: Der vorbestrafte Mafiapate Sedat Peker drohte uns sogar öffentlich, in unserem Blut zu baden. Die groteske Drohung, die irgendwo anders lächerlich klingen würde, versetzte uns in Schrecken, denn als Peker das letzte Mal, im Oktober vergangenen Jahres, in einem öffentlichen Meeting sagte, Blut werde in Strömen fließen, fand ein paar Tage später der Bombenanschlag in Ankara mit mehr als hundert Toten statt.
Der einzige Segen war, dass wir Akademiker wohl zum ersten Mal angefangen haben, uns ernsthaft zu organisieren. Soziale Medien ermöglichten uns, ständig in Kontakt zu bleiben und Informationen bezüglich unserer Situation auszutauschen. Sofort setzten sich zahlreiche nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen und Berufsgruppen, Universitäten und Forschungseinrichtungen aus aller Welt mit
Unterstützungskampagnen ein; die Anzahl nationaler wie auch internationaler Unterzeichnender verdoppelte sich rasch.
Dennoch wurden bis dato 600 Unterzeichnende mit Disziplinarverfahren überzogen. Ich selbst gehöre auch dazu. Zudem ist unser Friedensappell durch die Bedrohungen und Repressionen in den Schatten geraten.