Mit neuem Impuls gegen Europafrust
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Mit "Pulse of Europe" ist in nur drei Monaten eine beachtliche Bürgerbewegung entstanden, die sich für den Erhalt der EU stark macht. Täglich wächst sie weiter. Berufspolitiker loben das zivile Engagement in den höchsten Tönen. Doch das Lachen könnte ihnen noch vergehen.
War das wirklich alles passiert? Fassungslos starrten viele Menschen seit vergangenem Sommer auf das Weltgeschehen: Eine Mehrheit der Briten hatten sich für den Ausstieg aus der Europäischen Union entschieden und in den USA war der Populist Donald Trump zum Präsidenten gewählt worden. Plötzlich geschahen Dinge, die viele Europäer nicht für möglich gehalten hatten.
"Wir wollten nicht in Schockstarre verharren"
"Wir aber wollten nicht in Schockstarre verharren", sagt der Frankfurter Rechtsanwalt Daniel Röder. Er und seine Ehefrau sprachen Freunde und Bekannte an. Sie alle trommelten über ihre sozialen Netzwerke etwa 200 Mitstreiter zusammen. Mitte Januar organisierten sie an einem Sonntag ihre erste Demo im Herzen der Stadt am Main, um sich für den Bestand und die Weiterentwicklung der EU stark zu machen.
Damit war "Pulse of Europe" als zivilgesellschaftliche Organisation geboren.
Inzwischen haben sich dieser pro-europäischen Bewegung Menschen in rund 70 deutschen Städten und elf EU-Ländern angeschlossen. Sonntag für Sonntag gehen sie um 14 Uhr für ein vereintes, demokratisches Europa auf die Straße. "Pulse of Europe" bekennt sich zu einem "Europa, in dem die Achtung der Menschwürde, die Rechtsstaatlichkeit, freiheitliches Denken und Handeln, Toleranz und Respekt selbstverständliche Grundlage des Gemeinwesens sind". Mal sind es mehr, mal weniger, die demonstrieren: Während am vergangenen Sonntag die Polizei in der Mainmetropole 3.500 Demonstranten zählte, waren es in Dortmund nur rund 200.
Viel ehrenamtliches Engagement
Den Gründern der Bürgerbewegung wächst nach eigenem Bekunden ihr rasanter Erfolg noch längst nicht über den Kopf: "Wir sind erstaunt, wie gut es läuft, und freuen uns sehr darüber", sagt Röder. Das Organisationsteam in Frankfurt arbeite derzeit zehn bis 16 Stunden am Tag. Keine leichte Sache für all jene, die einen Job haben - und das sind die meisten. Eine Kraft immerhin wurde inzwischen festangestellt und Studenten arbeiten im Nebenjob. Die meisten aber engagieren sich ehrenamtlich. Beglichen die Gründer anfangs die anfallenden Kosten aus eigener Tasche, gebe es inzwischen viele Spender, sagt Röder.
Und wie kontrolliert die Bewegung, dass sich keine Trittbrettfahrer einschleichen, die ihre eigenen Ziele verfolgen, die jenen der Pro-Europäer entgegenstehenden? "Pulse of Europe" sei inzwischen als Marke angemeldet, erläutert Röder. So könne die Organisation juristisch gegen Missbrauch vorgehen. Bislang aber sei das noch nicht nötig gewesen.
Bewegung will keine Schaufensterreden von Politikern
Berufspolitiker sehen mit Wohlgefallen das Wachstum von "Pulse of Europe". Reden dürfen sie auf dem Demonstrationen nicht, da sich die Bürger nicht vereinnahmen lassen wollen. Selbst die Bundeskanzlerin nannte die Bürgerbewegung am vergangenen Dienstag eine "notwendige und erfreuliche Ergänzung" ihrer Arbeit. Gebe es solches Engagement nicht, habe die Politik "ihr Fundament verspielt". Röder und seine Mitstreiter hören das gern, aber mit Schaufensterreden werden sie sich nicht abspeisen lassen, warnt er. Politiker müssten konkrete Formeln für Europa entwickeln. Das Weißbuch, das die Europäische Kommission Anfang März als Blaupause für die Entwicklung der Union vorlegte, sei "viel zu holzschnittartig".
Damit werde sich "Pulse of Europe" nicht zufrieden geben. "Politiker müssen europäischer denken und handeln - auch in Deutschland", fordert er. Sehr zufrieden ist die Bürgerbewegung mit dem Ausgang der niederländischen Parlamentswahl, bei der ein großer Erfolg der Rechtspopulisten verhindert werden konnte. Mit ihrer "Bleibt-bei-uns-Kampagne" habe "Pulse of Europe" vielleicht sogar einige Wähler im Nachbarland mobilisiert, in jedem Fall aber die deutsch-niederländische Freundschaft auf bürgerschaftlicher Ebene gestärkt, sagt Röder.
Das geschehe jetzt auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen in Frankreich im April und Mai. Bis dahin werde weiterhin jeden Sonntag um 14 Uhr demonstriert. Doch diese Schlagzahl wird sich auf Dauer nicht halten lassen. Die Organisatoren überlegen nun, wie neue Strukturen aussehen könnten. Denn: "Ohne Zivilcourage wird die EU nicht überleben", sagt Röder.
Bürgerbewegung "Pulse of Europe": Mit neuem Impuls gegen Europafrust - heute-Nachrichten