Also, präziser ausgedrückt: die Europäisten (zu denen viele Rechten, Zentristen und (ex-)Linken gehören) haben eine Ideologie, die zwar liberale Elemente hat und eine gewisse Vielfalt und Toleranz befürwortet, und auch eine Abschaffung der innereuropäischen Grenzen beinhaltet - aber auch eine Beibehaltung/Verstärkung der Grenzen der europäischen Länder zu nicht-europäischen. Also, im Prinzip eine Abschaffung der Grenzen zwischen relativ reichen Ländern und eine Abgrenzung zu ärmeren und unterentwickelten, weniger "zivilisierten" Ländern. Mit alten linken internationalistischen Gedanken hat also dieser Europäismus nicht viel zu tun.
Schon dass sie Europa als "Wunderland der Vielfalt und Toleranz" definieren, zeugt davon, dass sie auf die alte Tradition der europäischen Überlegenheit gegenüber die weniger zivilisierten nicht-Europäer stützen (zugegeben, in einer weniger rassistischen und viel humanistischer Variante). Sonst würden sie diese Werte nicht auf einen künstlichen geographischen Raum beziehen, der per Definition einen germanisch-lateinischen Kern hat, und im Laufe der Jahrtausenden als Abgrenzung zu Asien und Afrika entstanden ist.
Man muss aber auch dazu sagen, dass diese Frage sich in unterschiedlicher Art und Weise für die Länder des europäischen Kerns und diese der europäischen Peripherie stellt. Für Deutschen, die "europäische Idee" heißt Abschaffung der Grenzen zu allen Nachbarländern, auch diese, die ärmer sind (z.B. Polen). Für Spanien, sie heißt Abschaffung der Grenze zum reichen, höher entwickelten Frankreich, und Verstärkung der Grenze zum ärmeren, weniger entwickelten (und muslimischen) Marokko. Also, die Stellung der Linken zu dieser Idee in diesen zwei Ländern muss nicht unbedingt die gleiche sein.