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Sammelthread Kuba

Anders als die hässlichen Greise im Kreml oder im Ostberliner Politbüro hatten Kubas Revolutionäre Jugend und Sex-Appeal für sich gepachtet, und ihr Sieg über den Diktator Fulgencio Batista stieß weltweit auf Anerkennung und Sympathie, weil er der Logik des Kalten Krieges zu widersprechen schien: Kein von Moskau manipulierter Staatsstreich wie in Prag und Budapest, sondern ein spontaner Volksaufstand, der den moralischen Impetus der Revolte - im Sinne von Albert Camus - mit der Schönheit einer befreienden Tat verband. Kein Wunder, dass Che Guevara - mit oder ohne Havanna-Zigarre, mit oder ohne Baskenmütze - zur Pop-Ikone avancierte und, millionenfach reproduziert, in die Wohnküchen der Achtundsechzigergeneration Einzug hielt, während die Haar- und Barttracht kubanischer Revolutionäre die westliche Jugendmode beeinflusste. Dass lange Haare und Bärte, die in Paris und Berlin, London und New York zum guten Ton gehörten, in Warschau, Prag und Ostberlin verboten oder nur geduldet waren, stand auf einem anderen Blatt: Dort galt Che Guevara als gefährlicher Abenteurer, der, statt auf Moskaus Parteilinie einzuschwenken, wie Castro dies tat, mit Maos Kulturrevolution sympathisierte - eine Todsünde in den Augen des Kreml - und seine Gastgeber provozierte, indem er Blumen an Stalins Grab niederlegte.
 
Militarismus und Machokult

Dass Fidel Castro den Einmarsch der Sowjetpanzer in Prag begrüßte, wurde von seinen Sympathisanten im Westen ebenso ignoriert wie Militarismus und Machokult. Kubas permanente Revolution war und ist eine mit Produktionsschlachten und militärischem Freund-Feind-Denken einhergehende Männersache, deren Führer dem Volk ständig neue Opfer abverlangten, während sie selbst im Luxus lebten - mit Ausnahme Che Guevaras, der Askese nicht nur predigen, sondern glaubhaft vorleben wollte. Dass er Homosexuelle für konterrevolutionär hielt und zur Umerziehung in Lager sperrte, hat sich unter seinen Fans bis heute nicht herumgesprochen; genauso wenig wie die Tatsache, dass er Obstplantagen niederwalzen ließ, um Platz zu schaffen für Zuckerrohr, dessen Monokultur Versorgungsengpässe nach sich zog. Guevaras Methoden der Wirtschaftsführung und seine Aufrufe zum Konsumverzicht brachten ihn mit Castro in Konflikt, der sich des Rivalen auf elegante Weise entledigte. Nicht, indem er ihn umbringen ließ, wie Stalin dies mit Trotzki tat, sondern indem er Che in aussichtloser Mission nach Bolivien schickte, wo er als Märtyrer der Revolution starb.
Das Foto seiner von Kugeln durchbohrten Leiche, wie der vom Kreuz abgenommene Christus in einer Dorfschule aufgebahrt, war für Propagandazwecke wertvoller als ein lebender Che Guevara. Und es ist bezeichnend, dass und wie dieser erst nach seinem Tod im damaligen Ostblock akzeptiert und politisch instrumentalisiert worden ist. Die von Sympathisanten heiß diskutierte Frage, wie und warum Kubas Entwicklung aus dem Ruder lief und die Hoffnung in Enttäuschung umschlug, ist genauso müßig wie der akademische Streit, ob die kubanische Revolution ein historisches Ereignis war, ein unabgeschlossener Prozess oder eine pure Utopie. Fest steht nur, dass die Befreiung von Anfang an den Keim der Unterdrückung in sich trug und dass der Sündenfall nicht erst mit der Hexenjagd gegen den Dichter Heberto Padilla oder mit dem Schauprozess gegen den beliebten General Arnaldo Ochoa begann, den Castro 1989 als Drogenhändler hinrichten ließ - ganz zu schweigen von der Massenflucht kubanischer Boatpeople in die USA.
 
Tourismus als Rettung

Nach dem Kollaps der UdSSR, die den stotternden Motor mit Öllieferungen am Laufen hielt, mussten die Kubaner die Gürtel noch enger schnallen - falls sie noch Gürtel besaßen. Weder eine halbherzige Liberalisierung durch Zulassung freier Märkte und Duldung privater Restaurants, noch neue Repressionswellen gegen Dissidenten und Oppositionelle konnten die Unzufriedenheit der Bevölkerung eindämmen, die mit den Füßen abstimmte und, wo immer sie konnte, die Insel verließ. Als das Wasser ihm bis zum Hals stand, erwuchsen Castro zwei Retter in der Not: Der internationale Tourismus, der Kuba wieder zum Bordell machte, das es schon vor der Revolution gewesen war, und Venezuelas populistischer Präsident Hugo Chávez, der dem schwächelnden Comandante politisch den Rang ablief und ihm gleichzeitig mit Petrodollars auf die Beine half. Wörtlich und nicht nur im übertragenen Sinn, denn bei einer seiner Mammutreden war Fidel vom Podium gestürzt.
In Deutschland trat an die Stelle des Che-Kults von einst eine parteiübergreifende "Cuba Si"-Fraktion, deren Kuba-Begeisterung gegen jede Realitätsprüfung immun ist. Dass Fünf-Sterne-Rum und Cohiba-Zigarren, die man auf subventionierten Reisen genießt, der Bevölkerung vorenthalten werden, stört sie ebenso wenig wie die Tatsache, dass ein Chefarzt in Havanna im Monat weniger verdient als eine Prostituierte in einer Nacht.
Die Che-Guevara-Ikone ist als abgesunkenes Kulturgut von der Wohngemeinschaft ins Taxi umgestiegen, dessen Insassen sie - wie die Jungfrau Maria - vor Unfällen schützen soll. Und kaum jemand weiß, dass der Fotograf Alexander Korda, der Ches populärstes Bild knipste, um den Lohn seiner Arbeit betrogen wurde, weil Kuba das internationale Copyright-Abkommen gekündigt hatte. Das größte Paradox aber ist die Tatsache, dass das von den USA verhängte Embargo Castros marodem Regime mehr genutzt als geschadet hat, weil Sanktionen, unter denen die Bevölkerung leidet, für die Nomenklatura leicht zu umgehen sind.
 
Wie die Menschen Castros Tod erwarten

Fast 48 Jahre lang war er die unbestrittene Nummer eins. Nun ist der Maximo Lìder seit Monaten von der Bildfläche verschwunden. Doch auf Kuba scheint der Alltag unverändert. Nur im Privaten diskutieren die Kubaner, wie es mit ihrer Insel weitergeht.
 
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Allgegenwärtig: Kinder nehmen verkleidet an einer Parade zum Gedenken an die Revolution teil
 
Wer sich dieser Tage auf der Straße nach Castros Gesundheitszustand oder dem Fortgang der Revolution erkundigt, bekommt entweder Propaganda aufgetischt oder eine ausweichende Antwort wie: "Ich interessiere mich nicht für Politik." Im Privaten diskutieren die Kubaner allerdings durchaus darüber, wie es mit ihrer Insel weitergeht. Insbesondere seit den letzten Fernsehaufnahmen, die einen deutlich ausgezehrten Castro zeigten. Gerüchte aller Art machen die Runde, und Informationen aus dem Ausland über den Gesundheitszustand des 80-Jährigen werden begierig aufgesogen, denn das offizielle Kuba behandelt dieses Thema als Staatsgeheimnis.
 
Unter der Oberfläche brodelt es: Seit der Comandante sich Anfang August einer Notoperation am Darm unterziehen musste, ist auch dem eingefleischtesten Funktionär die Sterblichkeit des Übervaters bewusst geworden. "Nicht mal die Optimistischsten unter uns glauben, dass Fidel noch einmal die Zügel wie früher in die Hand nehmen wird", räumt ein junger Mann in der Innenstadt von Havanna ein.
 
Den Übergang der Macht allerdings hat der gewiefte Revolutionär noch selbst eingeleitet. Sein fünf Jahre jüngerer Bruder Raúl hat seither die Amtsgeschäfte übernommen. Nur wenige Male hat sich der farblose Verteidigungsminister bisher in der Öffentlichkeit präsentiert. Hinter den Kulissen sorgt er für mehr Effizienz im Wirtschafts- und Staatsapparat, und er bot den USA einen Dialog an, sofern die Souveränität Kubas respektiert würde - zwar kein ganz neuer Vorstoß, aber dennoch werten Kuba-Experten dies als positives Zeichen in Richtung einer sanften Öffnung. Ebenso wie Raúls Aufruf zur parteiinternen Diskussion vor einigen Wochen. Er bestätigt damit das, was Kuba-Kenner wie Wayne Smith vom Center for International Policies in Washington vorhersagen: dass Kuba einen chinesischen Weg einschlagen wird in Richtung Wirtschaftsreformen mit politischer Kontinuität. Dabei steht Raúl eine Gratwanderung bevor, wie der Autor und Kuba-Kenner Jon Lee Anderson warnt. "Die Kubaner erwarten nun Reformen, eine Verbesserung ihrer Lebensumstände, und es wäre gefährlich, diese Erwartungen zu enttäuschen. Andererseits bergen die Reformen auch die Gefahr, dass der Nomenklatura die Kontrolle entgleitet." Dem will Raúl vorbeugen, indem er die Kontrolle durch Armee und Geheimdienste verschärft. Unter seiner Führung hat das Militär schon vor einigen Jahren Schlüsselbereiche der Wirtschaft übernommen. Die Versorgungslage hat sich verbessert und den sozialen Druck gedämpft - ein Konzept, das Raúl vermutlich so weiterführen wird. Solange der jüngere Castro-Bruder lebt, dürften sich daher Veränderungen in Grenzen halten.
Offen ist, was nach dem definitiven Ende der Ära Fidel Castro aus der kommunistischen Karibikinsel wird. Unter den jüngeren Thronfolgern haben Beobachter eine Konfrontation ausgemacht zwischen den kommunistischen Hardlinern wie Außenminister Felipe Pérez Roque und Reformern wie Vizepräsident Carlos Lage. Auch die US-Außenpolitik könnte an Einfluss gewinnen. Washington hat für die Nach-Castro-Ära humanitäre Unterstützung und Hilfe zur Organisation demokratischer Wahlen in Aussicht gestellt. Fast zwei Millionen Exilkubaner leben in Miami. Je nachdem, ob sie sich für Aussöhnung und Annäherung einsetzen oder aber stur auf Rückgabe ihres unter Castro konfiszierten Besitzes pochen, könnten sie eine entscheidende Rolle spielen.
 
Amtssprache Spanisch Hauptstadt Havanna (La Habana) Staatsform Sozialistische Republik Staatsoberhaupt Präsident des Staatsrates Fidel Castro Ruz Regierungschef Präsident des Ministerrates Fidel Castro Ruz Fläche 110.860 km² Einwohnerzahl 11.382.820 (Quelle: CIA 2006) Bevölkerungsdichte 102 Einwohner pro km² Währung Kubanischer Peso, konvertierbarer Peso Unabhängigkeit von Spanien am 10. Oktober 1898 erklärt, am 20. Mai 1902 anerkannt Nationalhymne La Bayamesa Nationalfeiertag 1. Januar Sieg der Revolution (1959), 1. Mai Internationaler Tag der Arbeiter, 26. Juli Sturm auf die Moncada-Kaserne (1953), 10. Oktober Beginn des Unabhängigkeitskrieges (1868) Zeitzone geographisch: UTC-4
gegenwärtig UTC-5 Kfz-Kennzeichen C Internet-TLD .cu Telefonvorwahl +53
 
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