Die Besetzung der Halbinsel Krim zeigt Züge eines Verzweiflungsakts. Der freie Westen ist völlig überrumpelt.
Schon die Inszenierung des Olympiawunders Sotschi geriet Putin nicht so wie gewünscht. Doch die Niederlage gegen die Freiheitskämpfer in Kiew ist eine Schmach sondergleichen. Sie lässt Wladimir Putin nackt stehen - wo bleibt die wiedergeborene und stets beschworene Macht Russland, wo die seines starken Führers, wo der Respekt der Welt, wenn es die Ukraine wagen darf, den Kreml zu verschmähen und zu verspotten? Sich nach dem Westen orientiert, allen Befehlen und allem Druck aus dem Kreml zum Trotz? Es ist ein Gesichtsverlust vor allem im eigenen Land. Es ist ein Verlust an Autorität, der vielleicht Opposition und Oligarchen ermutigen könnte, auch an ein Russland, an eine Zukunft ohne Putin zu denken.
Dessen Reaktion erinnert an einen Actionthriller aus alten Hollywood-Zeiten. Ein Rachefeldzug nach UdSSR-Muster läuft an. Soldaten ohne Hoheitsabzeichen (wie trickreich) tauchen auf, besetzen Flughäfen, Gebäude und Kommunikationszentren. TV-Sender werden einkassiert, Übertragungskanäle abgeschaltet. "Es gelte Russen zu schützen", so die Begründung. Als könnten ein paar rechtsradikale Schlägertrupps in Kiew Hunderttausende Russen auf der Krim bedrohen. Was für eine Ironie!
Dieser erbärmliche Einmarsch in ein fremdes Land trägt aber auch Züge eines Verzweiflungsakts. Denn gewinnen kann Putin wenig. Der letzte Rest an Glaubwürdigkeit ist nun verspielt. Die Annexion verstößt gegen sein eigenes, bisher geheiligtes internationales Rechtsprinzip, mit dem er - und China - stets den Schutz von Baschar al-Assad in Syrien begründet hat: Die Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten und die Achtung der territorialen Integrität. Wie ist das nun? Alles vergessen??? Was sind diese ganzen Putin-Verteidiger doch für ärmliche Jammerlappen. Ihr Erinnerungsvermögen reicht gerade so lange, wie sie ein Furz drückt!
Putin macht sein Land zum globalen Paria und stellt es endgültig an die Seite von Despoten und Diktatoren. Die Moskauer Zeitung "Wedomosti" ortete in ihrer Ratlosigkeit eine Art Strategie: Der Kreml agiere wie ein "gefährlicher Idiot", von dem man besser ablasse. Der Westen, und wohl der Rest der Welt, ist von einem derartigen Vorgehen völlig überrumpelt. Tatsächlich scheint es schwierig, eine Antwort zu finden. Niemand wird einen Krieg riskieren. Und doch ist es undenkbar, nichts zu tun. Viel zu lang schon haben die USA und die EU die Sowjetallüren des Kreml geduldet - und damit Putin um vieles größer gemacht, als er ist. Zeit, Hebel anzusetzen. Zeit für wirtschaftliche, diplomatische und finanzielle Sanktionen, für Druck mit aller Kraft. Denn es geht um Freiheit, und zwar nicht irgendwo, sondern in Europa.