Er sieht sich selbst als Kommunist und zwar in Abgrenzung zum Sozialismus. Für ihn hat Marx eine bislang unübertroffene Kapitalismuskritik geschrieben, mehr aber auch nicht. Ansonsten ist er ein Hegelianer, der Hegel mit und durch Lacan liest.
Er hat auch in seiner Wohnung ein Porträt von Stalin. Er sieht sich eben nicht als Kommunist. Das ist einer seiner vielen Kunstgriffe für den Diskurs und das hat wiederum viel mit Hegel zu tun und noch mehr mit Lacan. Sein Buch über Lacan ist ein echtes Meisterwerk, schon weil er zwei Aussagen von Lacan in einen wunderbaren Kontext bringt. 1. jemanden lieben bedeutet, jemanden etwas zu geben, was man nicht hat. Er ergänzt: und was der andere nicht will. 2. Wir können die Wahrheit nicht sagen. Dazu fehlen uns die Worte.
Den Nato-Angriff auf Serbien hat er befürwortet, ja, und er ist auch jetzt gleichzeitig pro-Kurdisch wie auch pro-Palästina. Aber es ist sogar noch "schlimmer", er befürwortet die Todesstrafe, ich nehme an, er folgt da dem "Konzept" von Hegel. Nach den üblichen linken Kriterien, ist Todesstrafe völlig verpönt. Und ist er jetzt deswegen ein reaktionäres Arschloch?
Er ist sicher kein reaktionäres Arschloch, sondern ein wilder Denker. Einer der besten, die wir haben. Und wie damals mit der Befürwortung des Nato-Angriffs, spielt er mit den Möglichkeiten des Denkens. Denn kaum versucht man ihn festzunageln, ändert er seine Aussage wieder. Er spielt die Möglichkeiten durch. Moral ist da zweitrangig. Dazu gibt es eine interessante Analyse von Hegel, wer die Schuld an Mord trägt, der Täter selbst oder die Gesellschaft. Auch das ist ein Gedankenspiel von Hegel. Die Haltung zur Todesstrafe bringt das ganze dann natürlich rhetorisch geschickt auf die Spitze
Nicht zu vergessen seine Aussagen zur Belagerung von Sarajevo, wo er die Zurschaustellung des eigenen Leids als Genießen beschrieb (glaub in Anlehnung an Lacan) und das mit der Vergewaltigung einer Frau verglich, die bei einer Vergewaltigung einen Orgasmus hat und eben erregt ist. Das ist ein sehr schwieriges Thema und wer da nicht sehr wach dabei ist, ist schnell abgestoßen. Dabei beschreibt er sehr genau die eigentlich Grausamkeit. Es gibt ein Video dazu, mal sehen ob ich das noch finde. Es ist nicht einfach zu beschreiben, leider.
Yu-Nostalgiker ist er ganz sicher nicht, aber wenn er davon erzählt, dann stilisiert er sich selbst nicht zu einem verfolgten Opfer und tut so als ob Yu lediglich aus Rankovic und Goli Otok bestanden hätte. Auf so eine Idee würde er wahrsch gar nicht kommen, aber eben nicht, um das zu verleugnen, sondern weil es für ihn ein integrierender Bestandteil seiner eigenen persönlichen Geschichte war.
Er hat mehrfach gesagt, dass er nichts von Jugoslawien hält und keiner dieser Romantiker/Nostalgiker ist, die regen ihn sogar auf. Er selbst hatte ja große Schwierigkeiten in Jugoslawien. Hin und wieder nimmt er einen guten Ansatz heraus. Für meinen Geschmack ist er sogar zu negativ, was YU betrifft. Aber wahrscheinlich ist er zu radikal. Einiges sehe ich deutlich positiver. Ich stelle aber auch das Denken und die Möglichkeiten des Denkens nicht über die Moral. Er tut das und ich profitiere davon.
Das ist ja genauso eine Diskussion die völlig daneben läuft, egal wie man sie angeht. Was Yu angeht gibt es auch nur schwarz/weiß. Die Zwischentöne werden genauso nicht geduldet, weil schon wieder dieser armselige Pöbel/Mob nicht erkennen kann, dass es im Leben um mehr geht, als darum, dass man einen Arbeitsplatz haben möchte und/oder bis zum Ende des Monats durchkommen will. Das sind völlig banale, gewöhnliche Probleme, die genauso mit Verachtung "bestraft" werden. Sie werden denunziert als nicht demokratiefähige, sich nach einem starken Mann sehnende Idioten etc. Den Politikern würde es aber völlig frei stehen, sich genau darum auch zu kümmern und zu zeigen, dass sie es besser können. Warum tun sie das nicht?
Die Diskussion über YU in Ex-YU verläuft nach der Diskurskultur, die in YU üblich war. Das ist das eigentlich interessante daran. Für uns oder gegen uns. Das perfekte Buch dazu hat Danilo Kiš geschrieben, der sogar von Urban und Handke vereinnahmt wird. Das Buch heißt Anatomiestunde und beschreibt, dass es nur ein für uns oder gegen uns gibt. So wie es eben heute noch ist. Jetzt haben wir einen Minister, der fordert, dass niemand eine Stelle im Staat bekommen sollte, der während YU in der Partei war also besteht im tatsächlichen Handeln kein großer Unterschied, nur die politische Ideologie ist eine andere. Das damals jeder einen Job hatte und gut leben konnte ist übrigens ein Märchen, was auch Zizek widerlegen konnte. Da muss man eben bei den Tatsachen bleiben. Trotzdem gab es Fortschrittliches, wie die Stellung der Frauen - Abtreibungsgesetz von 74.
Der einfache, gewöhnliche, zu rechts neigende armselige pöbelhafte Mob ist halt zu banal für große Ideen, vor allem sind sie ihnen tatsächlich egal
Allerdings. Übrigens gibt es gerade in der Linkspartei und den Gewerkschaften mehr Rechte, als in der NPD.
Habe letztens ein Buch über Ägypten gelesen, da war es genauso. Es ging um eine Ehepaar, die sich eine OP nicht leisten konnten. Sie sagte, für sie ist das völlig egal, ob die Regierung mehr Richtung Islam oder Militär geht, sie hat eben andere (konkrete) Probleme, denn ohne die OP kann ihr Mann nicht arbeiten, und das, was sie selbst verdienen kann, das reicht nicht.
In Wahrheit ist das Thema völlig austauschbar, es ist egal, ob es um den Rassismus oder Feminismus etc. geht. Ich kann den Kampf dagegen/dafür als ein progressives Mittel für die Emanzipation der Armen, Frauen, Unterdrückten etc. betreiben oder ich setze es als ein (vernichtendes) Werkzeug ein, um die eigene Überlegenheit über die sehr oft patriarchale, intolerante, fremdenfeindliche Unterschicht/klasse einzusetzen.
Letzteres machen sehr oft Vertreter und Vertreterinnen der oberen Mittelschicht. Und meine Ansicht ist, dass es sehr, sehr oft um die die Abgrenzung zur Unterschicht geht. Nur ein Beispiel: welcher Arbeiter würde sich mit dem Thema "Arbeiterbewegung" auf die Art und Weise auseinandersetzen, dass im Begriff "Arbeiter", die Frauen nicht enthalten sind und man sie deswegen mit einem anderen "sichtbar" machen muss? Man tut iwie so, als ob schon die Sprache diskriminieren würde und glaubt dadurch auch noch so eine Art Frauenpolitik zu betreiben. Frauenpolitik ist aber nicht Verwaltung von Sprache, sondern ganz konkrete Dinge, wie Kita-Plätze, Einkommensunterschiede etc.
Dieser ganze Genderkram hat mich nie interessiert. Ich fand immer, dass gerade die Frauen bewiesen haben, dass dies nicht zu diskutieren ist. Das Thema wird doch vor allem von den Gegnern gepusht, die „dann mach doch die Bluse zu“ schreiben und dann darauf abgehen. Genau wie Eva Herrmann, darüber muss man gar nicht groß reden. Es gibt gesellschaftliche Entwicklungen, die man nicht totquatschen muss, die entwickeln sich. Deswegen haben auch die Paare, die ständig über Sex und ihre geheimen Bedürfnisse reden, wahrscheinlich, sehr schlechten Sex und viel Streit
Und genauso ist es mit dem Rassismus - das ist abstrakt. Auf der konkreten Ebene geht es bei den Meisten um ganz konkrete Dinge wie zB eine Perspektive, einen Ausweg, Arbeitsplatz, Wohnen etc. Sie werden früher oder später fragen, wieso habt ihr soviel Mitgefühl und Liebe für die Flüchtlinge, während wir neben euch verrecken können, ohne dass es irgendjemanden kümmert. Ist das nicht eine berechtigte Frage? Und warum wird hier die eine Gruppe gegen die andere ausgespielt?
Pegida hat der „Lügenpresse“ viel zu verdanken. Die Deppen ziehen sich den Schuh doch wunderbar an. Und jetzt gibt es immer diese peinlichen Rechtfertigungsversuche. Wir haben eigentlich eine verdammt verklemmte Situation im Moment. Keiner will jemandem auf den Schlips treten, nur noch Hysterie. Fakt ist aber, dass diese Argumente gegen Flüchtlinge mehr in Richtung Phantomschmerz geht. Ich erinnere mich an den Ossi-Rentner, der ein ganzes Dorf angeheizt hat, dann die Flüchtlinge kennenlernte und dafür kämpfte, dass sie bleiben durften, weil sie sonst keine Perspektive hätten. Oft sind es eben Leute, die einfach nur etwas Aufmerksamkeit brauchen. Diese Aussagen von Joko&Klaas zb. wie sind die denn entstanden? Damals gab es Sylvester in Köln nicht, sondern vor allem den Hass auf der Straße, Neo-Nazis die aufmarschierten und Flüchtlingsheime die brannten. Das war das Hauptthema. Und erbärmliche Facebookkommentare, wo Leute abfeierten, dass Flüchtlingsboote untergingen und die Leute verreckt sind. Jetzt mit ein bisschen Abstand geht man auf sie los. Ich finde das ziemlich dumm, denn damals fanden das einige sehr mutig. Ich finde das noch heute so. Und warum sollte nicht jeder das Recht haben zu wissen, wie die beiden denken. Das ist nur ehrlich und sie verbieten auch keinem etwas, sondern schaffen einen klaren Rahmen für ihren Standpunkt.