So, ich habe mir heute Nacht das zweite Debate angeguckt (aber wurde kurz vor der letzten schockierenden Frage unterbrochen, sodass ich das wohl gleich nachholen werde) und mein Resümee ist, dass Trump zwar sein Verhalten etwas geändert hat, aber an seinem Inhalt kaum gearbeitet zu haben scheint, auch wenn er etwas vorbereiteter als das letzte Mal schien.
Manchmal konnte ich einfach nicht verstehen, was seine Argumentationsstruktur soll. Als er bezüglich des am Freitag veröffentlichten Videos befragt wurde, antwortete er, dass das Umkleideraum-Gespräche waren (in Ordnung), aber hat die Situation irgendwie mit dem IS verbunden, sodass unter anderem Sätze wie „I will knock the hell out of ISIS, we're gonna defeat ISIS, ISIS happened a number of years ago in a vacuum that was left because of bad judgement. And I will tell you: I will take care of ISIS and we need to much more important things and much bigger things.“
Auf die Frage, ob der Moderator daraus schlussfolgern kann, dass er die Frauen niemals unsittlich berührt hat: „I have great respect for women. Nobody has more respect for women than I do.“ (Hier musste ich ein wenig lachen.)
Kommen wir zu Clinton: Clinton ist die Sache ein wenig diplomatischer, aber gleichzeitig ein wenig näher beim Menschen angegangen. So fragte sie beispielsweise die erste Fragende, ob sie eine Lehrerin sei oder lobte den letzten Fragenden damit, dass er sich offensichtlich mit Energie-Themen auskenne. Sie ging auch etwas aggressiver an Trump heran (so, wie es Trump schon beim ersten Debate machte), sodass sie oftmals hinzufügte, dass sie es „im Gegensatz zu Trump anders machen würde“. Für mich hat sich Clinton gut behauptet, sie hat sich als Präsidentin für alle Amerikaner gezeigt und arbeitete mit der Taktik, dass sie eine positive Herangehensweise pflegte. Sie machte den Leuten Mut, etwas zu verändern und bekräftigte und motivierte sie mit ihren Worten.
Trumps Art ist hier komplett anders: Er betont strikt die Fehler in den Vereinigten Staaten von Amerika, sagt, dass es Veränderung braucht, kritisiert alles, aber macht den Bürgern keinen Mut, sagt nicht, dass das zu schaffen sei.
Wo für mich beide Kandidaten verloren haben: Bei der Islamophobie-Frage. Kein Präsidentschaftskandidat hat es geschafft, die fragende Muslima davon zu überzeugen, dass mit ihm/ihr eine Veränderung für ihre Lage sein wird. Clinton hat zwar gesagt, dass sie ein Land will, das alle Bürger akzeptiert und toleriert, soweit sie hart arbeiten und ehrvoll sind, etc., aber ich fand das alles nicht sonderlich überzeugend. Trump hingegen hat die Schuld auf alle muslimischen Bürger geschoben, indem er sagt, dass das einzige, was sie tun müssen, ist, die Fälle zu melden. Damit hat er zwar nicht unrecht und ich bezweifle, dass ein Präsident auch viel mehr für die Emanzipation (und Integration) der Moslems in einem Land machen könnte, aber die Kunst der Rhetorik war nicht gut (wenn überhaupt) eingesetzt.
Sonstige Auffälligkeiten: Am Anfang konnte ich die gezwungene Ruhe Trumps richtig spüren, was mir als Zuschauer die Ruhe etwas genommen hat. Er war nicht ruhig, er versuchte so zu tun, als ob. Außerdem scheint ihn irgendjemand informiert zu haben, dass er beim ersten Debate zu viel schniefte, sodass er das diesmal leiser machte; aber das brachte auch nur die gleichen Gefühle wie das angeblich ruhige Reden.
Clinton schrieb sehr viel auf, als Trump redete - manchmal wusste ich auch ziemlich genau, was sie gerade aufschrieb, nämlich als Trump das 2nd Amendment ansprach. Sie versuchte professionell zu wirken, indem sie sich Notizen machte und dadurch zeigen wollte, dass sie absolut geeignet als Präsidentin ist - ein kluges Psychologie-Spiel, aber ein bisschen zu einfach zu durchschauen.