Lehren aus Srebrenica
Die Gegner eines Eingreifens in Syrien verweisen auf die Kriege in Afghanistan und im Irak. Dabei vergessen sie die Lehren aus den Jugoslawienkriegen: Unter gewissen Umständen ist es geboten, militärische Mittel einzusetzen, um eine Verhandlungslösung und damit den Frieden zu erzwingen. Und in Syrien steht noch mehr auf dem Spiel als auf dem Balkan.
Ein Gastbeitrag von Wolfgang Ischinger
Nach Zehntausenden Toten, nach vielen Monaten des Zögerns und Zurückhaltens im Westen, der Aufrufe und Sanktionen, nach diplomatischen Offensiven und Vermittlungsversuchen geht der Despot den einen Schritt zu weit. Dieser Schritt erlaubt es der internationalen Gemeinschaft nicht länger, wegzuschauen. Die Einschätzung, dass die Kosten des Nichthandelns geringer sind als die potenziellen Kosten eines Eingreifens, hat sich als Fehlkalkulation herausgestellt.
Die Rede ist hier von Srebrenica, vom Mord an 8000 bosnischen Muslimen im Juli 1995 und von Slobodan Milosevic - nicht von Baschar al-Assad in Syrien und den möglichen Chemiewaffeneinsätzen vor Damaskus. Doch angesichts des C-Waffen-Einsatzes werden jetzt auch hier die Rufe nach einer Intervention lauter. Ein Verhandlungsfrieden freilich, wie er im November 1995 in Dayton für Bosnien erzielt werden konnte, ist in Syrien noch lange nicht in Sicht.
Für Syrien gilt: Aus einer Position der Stärke, in die Assad zumindest in Ansätzen zurückgefunden hat, wird sein Regime kaum zu den nötigen Konzessionen bereit sein. Solange Assad überzeugt ist, dass er seine Lage verbessern oder gar den Krieg für sich entscheiden kann, wird er weiter kämpfen lassen. Dieses Kalkül muss die internationale Gemeinschaft durchbrechen, will sie eine politische Lösung erreichen.
Ein solches streng limitiertes Eingreifen würde freilich an den Kräfteverhältnissen in Syrien, die sinnvolle Verhandlungen bislang unmöglich machen, wenig ändern. Der Idealfall, dass Assad so geschwächt würde, dass die Konfliktparteien in Genf auf Augenhöhe zu einer Verhandlungslösung finden, bleibt in diesem Szenario leider eher unwahrscheinlich.
Militäreinsatz in Syrien: Die Lehren aus dem Balkankrieg - Politik - Süddeutsche.de