12. Dezember 2005
AUSTRALIEN
Rassenunruhen gehen weiter
Die brutalen Prügeleien bei Sydney, an der sich mehr als 5000 Menschen beteiligten, haben in Australien Entsetzen ausgelöst. Politiker nannten die Ausschreitungen gegen arabische Einwanderer "ekelerregend". Unterdessen randalierten Jugendliche den zweiten Abend in Folge.
Sydney - Wie der Sender 2GB berichtete, wurden heute die Schaufenster von Geschäften eingeschlagen und Fahrzeuge beschädigt. Schauplatz war wieder der am Strand gelegene Stadtteil Cronulla, wo sich schon gestern mehrere tausend weiße Jugendliche Kämpfe mit Gleichaltrigen arabischer Abstammung sowie mit der Polizei geliefert hatten, angeblich um gegen einen Angriff von Libanesen auf zwei Rettungsschwimmer zu protestieren.
Der australische Premierminister John Howard verurteilte den Gewaltausbruch scharf: "Menschen wegen ihrer Rasse, ihres Aussehens, ihrer Herkunft anzugreifen, ist völlig inakzeptabel", sagte Howard heute. Er betonte, er sehe keine unterschwelligen rassistischen Strömungen in der australischen Gesellschaft. Polizeiminister Carl Scully räumte ein, dass den Unruhen ein Gebaren weißen Überlegenheitsdenkens zugrunde gelegen habe. Polizeichef Ken Moroney sprach von der schlimmsten Gewalt, die er in seiner 40-jährigen Dienstzeit gesehen habe.
Die überwiegend betrunkenen Randalierer hatten australische Fahnen geschwenkt und nationalistische und rassistische Sprüche skandiert. Sie waren einem per E-Mail und Handy-Kurznachrichten verbreiteten Appell gefolgt, in dem dazu aufgerufen wurde, Libanesen und andere Menschen aus dem Nahen Osten zusammenzuschlagen. Entsprechend griffen die Jugendlichen Passanten mit fremdländischem Aussehen an. Einer muslimischen Frau wurde das Kopftuch heruntergerissen, sie musste in einem Kiosk Schutz vor den Angreifern suchen.
Unter den mehr als 30 Verletzten waren auch 6 Polizisten, die versuchten, die Gewalt zu stoppen, sowie 2 Rettungssanitäter. Das Fernsehen zeigte Bilder, auf denen die Polizei einen Krankenwagen schützte, der von der Menge mit Bierflaschen beworfen wurde. Andere Jugendliche trampelten auf Polizeifahrzeugen herum. Die Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Pfefferspray ein. 16 Personen wurden festgenommen.
Howard weist Schuld von sich
Bei Vergeltungsaktionen von rund 60 Jugendlichen aus dem Nahen Osten in benachbarten Vororten wurden in der Nacht 2 Jugendliche durch Messerstiche verletzt und rund 40 Fahrzeuge mit Baseball-Schlägern beschädigt.
Der Strand von Cronulla ist ein beliebter Treffpunkt muslimischer Jugendlicher aus Sydney. Eine Woche vor den Ausschreitungen sollen dort zwei freiwillige Rettungsschwimmer attackiert worden seien.
Zudem gab es Gerüchte über die Belästigung von Anwohnerinnen.
Howard wies Vorwürfe zurück, die Ausschreitungen stünden in Zusammenhang mit seinen eigenen Äußerungen vom November zu möglichen Terroranschlägen in Australien. Howard hatte damals erklärt, es gebe Hinweise auf Planungen für terroristische Anschläge von in Australien aufgewachsenen Attentätern. Alles, was er gesagt habe, sei "vollkommen gerechtfertigt" gewesen, erklärte er vor Journalisten. Mögliche Reaktionen innerhalb der Bevölkerung auf diese Warnungen hätten jedoch nicht vorhergesagt werden könnnen. Anfang November hatte die Polizei 18 islamistische Terrorverdächtige australischer Herkunft festgenommen.
"Ekelerregende" Gewaltexzesse
Die Ausschreitungen zählen zu den schwersten rassistischen Unruhen in der Geschichte des Landes. Unter den rund 20 Millionen Australiern gibt es rund 300.000 Muslime. Der Vorsitzende des Arabischen Rates in Australien, Roland Jabbour, sagte: "Arabische Australier mussten schon seit einigen Jahren mit Herabwürdigung, Rassismus, Beschimpfungen und der Angst vor rassistischer Unterdrückung leben, aber diese Unruhen werden die Angst noch verstärken." Der Premierminister von New South Wales, Morris Iemma, bezeichnete die Ausschreitungen als "ekelerregend". Er kündigte die Bildung einer Sondereinsatzgruppe der Polizei an, die die Anstifter festnehmen solle.
Erste Versöhnungsversuche: Eine Vertreterin des Islamischen Rats von Australien spricht nach den Unruhen mit Surfern und Badegästen
Friedensgeste: Vertreter von muslimischen Organisationen treffen sich mit Mitgliedern der Surfclubs