Also, dass es eine verbreitete Judenfeindlichkeit bei Arabern (und zwar bei den muslimischen sowohl als bei den christlichen) gibt, will ich nicht bestreiten. Diese ist aber eine "natürliche" Feindlichkeit, die bei einem ethnischen Konflikt entsteht. Es ist wie Türkenfeindlichkeit bei Griechen, Albanerfeindlichkeit bei Serben, Serbenfeindlichkeit bei Albanern, Armenierfeindlichkeit bei Aserbaidschaner, Russenfeindlichkeit bei Georgiern usw usf. Die europäische Judenfeindlickeit war etwas Anderes, weil sie nicht aus einem ethnischen Konflikt entstanden ist, sondern durch Vorurteile einer Mehrheit gegen eine harmlose Minderheit, die als Sündenbock funktioniert hat. In den letzten Jahrhunderten wurde diese von der spezifisch europäischen Tradition des Rassismus beeinflusst und hatte sich zum modernen Antisemitismus entwickelt. Wir sprechen also über zwei von Grund unterschiedliche Dinge, auch wenn sekundär Gemeinsamkeiten entstehen können.
Man überträgt also einen Begriff, der in Europa durch die besondere europäische Geschichte entstanden ist, auf andere Regionen, die damit nicht wirklich zu tun haben. Indem man die beiden unter demselben Titel "Antisemitismus" führt, will man die Judenfeindlichkeit bei den Arabern zu einer Kategorie schieben, die schlimmer als eine normale ethnisch entstandene Feindlichkeit ist, und wo sie eigentlich nicht gehört. Und dahinter stehen vermutlich politische Ziele.
Außerdem gibt es noch eine wichtige Seite: man wählt so einen Begriff, der von Arabern logischerweise nie wirklich akzeptiert werden kann. Genau so wie ein Russe es nicht akzeptieren würde, wenn man ihm vorwerfen würde, dass er ein Slawenhasser in derselben Art und Weise wie Hitler ist, weil er Polen nicht mag. Wenn man ein (tatsächlich vorhandenes) Problem unter Arabern wirklich begegnen will, ist es hilfreich, wenn man mit einer Definition des Problems zu ihnen geht, die von ihnen aus guten Gründen nicht akzeptabel ist? Ist das ein guter Anfang?
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Also, ich denke mit meinem Antwort zu Apophis habe ich das auch gedeckt. Der nahe Osten hat nicht genau diese Ideologie importiert: er wurde von ihr zu einigen Teilen beeinflusst, aber der Ursprung der nahöstlichen Judenfeindlichkeit ist ein ganz anderer, sie ist direkt mit einem ethnischen Konfikt verbunden. Auch bis zum Grad, dass die Judenfeindlichkeit unter Arabern einen (sekundären) rassischen Charakter übernimmt, wird dieser nicht durch einen Gegensatz zwischen einer zur Region fremden semitischen Rasse und einer einheimischen indogermanischen Mehrheit begründet. So der Begriff "Antisemitismus" ist in jeder Hinsicht falsch.