Regierung will mit Auslandsinvestitionen punkten
Skopje/Wien. Investoren kommen ins Land, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst (zuletzt um drei Prozent) und es würden Arbeitsplätze geschaffen: Mit diesen Argumenten will Mazedoniens nationalistisch geführte Regierung unter Premier Nikola Gruevski bei der Parlamentswahl am kommenden Sonntag punkten. Mazedonien steckt jedoch trotz all dem in einer Krise, was auch am langsamen EU-Beitrittsprozess liegt.
Mit insgesamt vier neu geschaffene Industriezonen wollte die Regierung der wirtschaftlichen Probleme Herr werden. Vor allem die Auto-Zuliefererbranche ließ sich dort nieder, renommierte Firmen wie Johnson Controls, der belgische Autobushersteller Van Hool oder die deutsche Firma Dräxlmaier. Sie genießen weitestgehend Steuerfreiheit auf zehn Jahre, beginnend bei der Körperschaftssteuer, und bekommen die gesamte Infrastruktur zur Verfügung gestellt, als Anreiz, Arbeitsplätze zu schaffen. Die Arbeitslosigkeit ist eine der höchsten in Europa und betrug offiziell zuletzt knapp 29 Prozent. Inoffiziell soll sie noch höher liegen.
Unternehmen aus dem Ausland zahlen kaum Steuern
Viele Mazedonier schauen nicht wohlwollend auf diese Investoren, denn mazedonische Zulieferer für die Industriezonen gibt es wenig. "Sie kommen, weil die Arbeitskraft billig ist. Diese Arbeiter verdienen nur 150 bis 200 Euro netto im Monat", sagt Ljubco Zikov, Wirtschaftspublizist und seit neuestem auch Politiker. Außer ein besseres Image in der Welt habe Mazedonien nichts davon, so Zikov. Denn in den meisten Fällen werden die Rohstoffe importiert und die fertigen Produkte exportiert, das alles fast steuerfrei.
Österreichische Unternehmen, derzeit etwa 60, sind in Mazedonien hauptsächlich im Dienstleistungssektor tätig. Zu den größten Investoren zählen der niederösterreichische Energieversorger EVN, der Glücksspielkonzern Novomatic, Versicherungsunternehmen sowie die Telekom Austria. Vom Bauboom in der Hauptstadt, der mit der Verwirklichung des Stadterneuerungsprojekts "Skopje 2014" einsetzte, profitierten aus Österreich beispielsweise die Strabag und die Soravia Gruppe.
Die Regierung versuche, den Automobilsektor anzulocken, sagt Gerhard Schlattl, Delegierter der Wirtschaftskammer (WKÖ) in Skopje. Potenzial habe Mazedonien vor allem im Bereich der Lebensmittelverarbeitung: "Obst und Gemüse wird meist exportiert und verarbeitete Produkte werden importiert, und da könnte man im eigenen Land viel mehr machen."
Chancen in der Lebensmittelverarbeitung
Der Neo-Politiker Zikov sagt überzeugt: "Wir haben Ressourcen, um ganz Osteuropa zu ernähren. Wir könnten ein kleines Israel auf dem Balkan sein, wenn wir schlau wären. Sind wir aber nicht." Man müsse den "Kolonialstatus" gegenüber den anderen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken aufgeben, und selbst etwas schaffen, ist Zikov unzufrieden.
Zu Zeiten Jugoslawiens war Mazedonien die ärmste Teilrepublik und produzierte nur etwa fünf Prozent der Waren. Nach dem blutigen Zerfall Jugoslawiens fiel Mazedonien, wo es im Gegensatz zum Rest des Landes keinen Krieg gab, noch weiter zurück, weil die ohnehin geringen Transferzahlungen ausblieben. 2005 bekam das Land den EU-Kandidatenstatus, die Verhandlungen wurden neun Jahre später noch immer nicht aufgenommen. Politiker und Wirtschaftsexperten setzen jedoch weiterhin alle Hoffnung auf die EU, die als Wirtschaftsmotor fungieren soll, da sie Investoren Rechtssicherheit garantiert. Solange sich Mazedonien jedoch nicht mit Griechenland, das den Nachbarn wegen des Streits um den Namen Mazedonien auf dem Weg zur EU und NATO blockiert, einigt, bleibt Mazedonien weiter im Wartesaal.