Sei mir nicht böse, ich halte deine Sicht für hochgradig naiv. Weil du sie dir so zurecht legst, dass sie schön einfach für dich zum Argumentieren ist.
Der Mensch sehnt sich nach eindeutigen Erklärungen. Schwarz gegen weiß. Gut gegen Böse. Wir gegen die. Das tun Rassisten, Faschisten und Kommunisten (wenngleich letztere aus ursprünglich humanen Gründen). Aber das ist nicht die Wirklichkeit. Das ist Hollywood.
Es ist ungerecht zu behaupten, man wisse, was Steinmeier denkt, es sei denn er sagt es selber.
Du sprichst ihm eine eigene, differenzierte Sicht auf den Konflikt grundweg ab. Behauptest er handele lediglich roboterhaft nach einem vorgegebenen Plan (vermutlich aus Washington), der ausschliesslich eine menschenunwürdige Unterdrückung der Bevölkerung in der Ostukraine zum Ziel hat. Ein willenloser, blutrünstiger Handlanger des Imperiums.
Dass er auch mit Opfern zusammen trifft, mit seiner Frau über seine Zweifel redet, gelegentlich mit alten pazifistischen Weggefährten in den Landesverbänden zusammen trifft, dass menschliche Überlegungen und Abwägungen für ihn persönlich überhaupt eine Rolle spielen könnten, darf nicht vorkommen. Weil es nicht dem Drehbuch entspricht.
Dazu müsste es erstmal eine klar definierte Gruppe von Menschen geben, die die Sezession betreibt. Es gab lediglich schwer bewaffnete Söldner, die Polizeistationen, Kasernen und Rathäuser besetzt haben und dann die Sezession ausgerufen haben. Die Bevölkerung in der Ostukraine besteht aber nicht aus Serben gegen Kroaten. Sondern aus Ukrainern die sich mehr oder weniger als russisch betrachten. Es gibt überhaupt keine klaren Grenzen. Wie soll da ohne schwierige Verhandlungen eine mit Gewalt durchgesetzte Sezession gerechtfertigt sein?