Der Baumeister von Zagreb
Kroatiens Hauptstadt und sein eigenwilliger Bürgermeister
Die Stadt-Modernisierungspläne des Bürgermeisters von Zagreb, Milan Bandic, finden unter der Bevölkerung immer weniger Gegenliebe. Unter dem Titel "Ein Recht auf die Stadt“ versucht eine Gruppe von Architekten, Urbanisten, Künstlern und Bürgern die Altstadt zu schützen und ein nach einer Idee von Boris Podrecco geplantes Lifestyle-Zentrum zu verhindern. Bisher allerdings ohne Erfolg.
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Zagreb und sein spezifisches Flair
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts, in dem Zagreb seine heutigen Umrisse definiert hat, hat sich die Zahl seiner Einwohner verzehnfacht und ist inklusive Umfeld von ursprünglich 67.000 auf mehr als eine Million angewachsen. Heute platzt die Hauptstadt Kroatiens aus allen Nähten. In jüngster Zeit gibt es ständig Probleme mit dem Verkehr. Autofahren im Zentrum ist eine Qual, geschweige denn das Parkplatzsuchen. Aber auch die vielen Wohnblöcke brauchen - abgesehen von der Bausubstanz der Altstadt - dringend eine Sanierung.
Trotz der prekären urbanen und architektonischen Probleme hat sich Zagreb dennoch durch seine schöne Lage am Fuße des Berges Sljeme sein kaiserlich-königliches Flair bewahrt und ist Anziehungspunkt vieler Touristen geblieben. Durch die schon sprichwörtliche Freundlichkeit seiner Bewohner fühlen sich die zahlreichen Urlauber in der Stadt rundum wohl und kommen immer wieder.
Zagreb und die neue Zeiten
Zagreb hat in seiner Geschichte schon mehrere Modernisierungsprozesse überstanden und mit Erfolg viele Erneuerungen ohne schwere Folgen für seine Identität als intime und freundliche Stadt behalten. Seit Zagreb 1991 zur Hauptstadt eines unabhängigen Kroatiens avanciert ist, hat jedoch infolge der zahlreichen Investitionen auf dem Bausektor die Silhouette der Stadt einen leichten Dämpfer bekommen.
Vor allem in der Altstadt ergeben die hohen Wolkenkratzer und riesengroßen Shoppingzentren manchmal einen Kontrast, der nicht ins Gesamtbild passt. Zagrebs Bürgermeister Milan Bandic scheint diese Änderungen aber sehr ins Herz zu schließen. Jeden Tag erfindet er für seine Mitbürger neue Großprojekte, die die Stadt in eine "moderne, europäische Zukunft“ führen sollen.
Milan Bandic und sein Führungsstil
Nicht nur seine Mega-Bauprojekte verursachen Kontroversen bei seinen Bürgern, Bandic regiert seine Stadt auch auf eine Art und Weise, die europäischen Politikern fremd ist. Dazu gehören auch seine Temperamentausbrüche. So schreit er Journalisten an, die ihn kritisieren, und deckt die sporadischen, aber immer wiederkehrenden Affären seiner engen Mitarbeiter.
Auch sein Lebensstil lässt zu wünschen übrig. So ist er einmal wegen Alkohol am Steuer erwischt worden und hat danach Fahrerflucht begangen. Vor allem aber die megalomanen Projekte, die er unterstützt, provozieren die Bevölkerung zusehends.
Offener Protest
Mit den Protesten wegen eines geplanten Lifestyle-Projekts in der Altstadt, hinter dem Milan Bandic ebenso steht, hat sich nun erstmals eine Bewegung manifestiert, die seine Aktivitäten unter die Lupe stellt. Das ist ein sichtbarer und sehr symbolvoller Unterschied zu den bisherigen Reaktionen der Menschen in dieser Stadt. Langsam scheint die Bevölkerung mehr über Inhalte nachzudenken, als sich von einer starken Persönlichkeit führen zu lassen.
Milan Bandic hingegen reagiert auf die Proteste noch immer auf seine bekannt temperamentvolle Art. So kündigt er den Unzufriedenen an, dass er der gewählte Bürgermeister sei und dass diejenigen, die etwas gegen seine Pläne vorzubringen haben, doch bis zu den nächsten Wahlen warten sollten. Bis dahin werde er jedenfalls das machen, was er sich vorstelle.
Grenzen erreicht
Wie letzte Umfragen zeigen, hat jedoch die Popularität von Milan Bandic bis dato - trotz aller bisherigen Zwiespältigkeiten, die den Bürgermeister immer wieder begleiten -, nicht gelitten. Dennoch ist es in der Politik schwer, zu beurteilen, wo die kritische Grenze zwischen Liebe und Hass der Wähler liegt.
Aktionen wie etwa "Wir haben ein Recht auf die Stadt“ zeigen zwar einerseits, dass sie nur von kleineren Gruppen unterstützt werden, andererseits jedoch sollte ein Politiker auch dem Puls seiner Wähler gehorchen. Denn die Sensibilität solcher kleinen Bewegungen kann auch schnell auf die Mehrheit umschlagen. Dies ist auch zu hoffen, denn die Stadt Zagreb hat sich das verdient.