09. Juli 2008, 23:12 – Von Daniel Suter
Warum Familie Comagic gehen muss
Im Internet ist nachzulesen, warum der Zürcher Regierungsrat Olivera Comagic und ihre beiden 14-jährigen Zwillingstöchter nach Serbien ausweisen will. Gegen die Ausweisung wehrt sich in Zürich-Enge ein Schülerkomitee.
Sabina Bobst Die Familie Comagic an einem Solidaritätsfest in Zürich.
Eine Petition mit rund 2000 Unterschriften hat ein Schülerkomitee aus dem Zürcher Quartier Enge am Montag im Rathaus der Kantonsratspräsidentin abgegeben. Die Jungen aus dem Schulhaus Lavater fordern ein Bleiberecht für ihre Mitschülerinnen Aleksandra und Tijana Comagic. Der Regierungsrat hatte zweimal entschieden, dass Olivera Comagic und ihre beiden 14-jährigen Zwillingstöchter in ihr Herkunftsland Serbien zurückkehren müssen. Und es sieht nicht so aus, als ob Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) sich von der Petition erweichen lässt.
Die Argumente des Regierungsrats sind in einer kantonalen Internetdatenbank nachzulesen. Dort stehen, nur oberflächlich anonymisiert, die Regierungsratsbeschlüsse vom 23. August 2006 und 7. Mai 2008.
Die wesentlichen Argumente enthält der erste Beschluss von 2006. Die Eltern Comagic stellten 1995 nach ihrer Ankunft aus Serbien ein Asylgesuch, das 2000 rechtskräftig abgelehnt wurde.
Während der behördlichen Frist zur Ausreise liess sich das Paar scheiden. Beide heirateten im Juni 2001 einen schweizerischen Partner. Dennoch lebte Vater Comagic weiterhin in der gleichen Wohnung wie seine Exfrau. Hier wurde er auch im August 2002 verhaftet, wegen eines Delikts, das ihm eine Gefängnisstrafe eintrug. Nach der Strafverbüssung wurde er ausgeschafft.
Der Regierungsrat wirft Olivera Comagic zwar nicht vor, eine Scheinehe eingegangen zu sein. Aber er schreibt, «dass die Ehe (. . .) schon kurze Zeit nach der Heirat nur noch formell aufrechterhalten wurde und als inhaltslos geworden anzusehen ist». Unbestrittene Tatsache ist, dass diese zweite Ehe nach gut drei Jahren nur noch auf dem Papier bestand. Deshalb betrachtet es der Regierungsrat als rechtsmissbräuchlich, wenn Frau Comagic sich für eine Erneuerung ihrer Aufenthaltsbewilligung auf diese Ehe berufe.
Die beiden Töchter leben seit gut 13 Jahren in Zürich. Der Regierungsrat anerkennt, dass eine Rückkehr nach Serbien für sie «mit gewissen Schwierigkeiten verbunden» ist:
«Indessen ist zu berücksichtigen, dass ihre Eltern seit elf Jahren mit allen Mitteln versuchen, in der Schweiz ein Aufenthaltsrecht zu erlangen», heisst es im Beschluss von 2006.
Die Kinder büssen demnach für ihre Eltern. Im Mai 2008 lehnte der Regierungsrat eine Wiedererwägung ab, weil es keine «neuen erheblichen Tatsachen» gebe. Auch den Vorwurf, das Kindeswohl nicht berücksichtigt zu haben, weist die Regierung vehement zurück. Ihr zweiter Entscheid mündet in einen Umkehrschluss: «Wird schliesslich berücksichtigt, dass zahllose Eltern auf freiwilliger Basis ihren Kindern durch späten Familiennachzug in die Schweiz oder durch Verlegung des Familienwohnsitzes ins Ausland Ähnliches zumuten, ohne sich dadurch dem Vorwurf auszusetzen, sie missachteten dadurch das Kindeswohl, kann vorliegend von einer unzumutbaren Härte der behördlich angeordneten Wegweisung keine Rede sein.» – Im Fall Comagic sollen die Kinder nun allerdings nicht auf «freiwilliger Basis» nach Serbien zurückkehren.
tagesanzeiger.ch