Falsche Ausrüstung, kein Sold
Warum die afghanische Armee versagte
Rund 20 Jahre investieren die USA eine Milliardensumme in die afghanische Armee. Doch nach dem Abzug der internationalen Truppen können die Taliban das Land innerhalb weniger Wochen erobern. Dabei wird auch deutlich, welche eklatanten Fehler beim Aufbau der afghanischen Streitkräfte gemacht wurden.
Die falsche Ausrüstung
Die USA gaben in den vergangenen 20 Jahren rund 83 Milliarden Dollar für den Aufbau und die Ausrüstung der afghanischen Armee aus - in Anlehnung an die eigenen Streitkräfte. In der Praxis bedeutete dies eine hohe Abhängigkeit von Luftunterstützung und eine High-Tech-Ausrüstung etwa für die Kommunikation in einem Land, in dem nur rund 30 Prozent der Bevölkerung überhaupt über eine zuverlässige Stromversorgung verfügt.
Flugzeuge, Hubschrauber, Drohnen, gepanzerte Fahrzeuge und Nachtsicht-Geräte: Die USA sparten nicht bei den Ausgaben. Zuletzt bekamen die Afghanen sogar das aktuelle Modell des Black Hawk Kampfhubschraubers. Doch die afghanischen Soldaten - viele von ihnen junge Männer, die Analphabeten sind - hatten gar nicht die Infrastruktur, um modernste Militärtechnik am Laufen zu halten. Letztlich waren sie unfähig, einen wirkungsvollen Widerstand gegen die weit schlechter ausgerüsteten Taliban zu organisieren, die noch dazu in der Unterzahl waren.
Übertriebene Armeestärke
Monatelang sprachen Vertreter des Pentagon von der zahlenmäßigen Überlegenheit der afghanischen Armee gegenüber den Taliban: Angeblich 300.000 Angehörige in Armee und Polizei, während für die Taliban 70.000 angegeben wurden.
Aber diese Zahlen waren nach Einschätzung des Anti-Terror-Zentrums an der renommierten US-Militärakademie von West Point massiv aufgeblasen. Nach dessen Zahlen vom Juli 2020 waren lediglich 185.000 der 300.000 Soldaten oder Spezialkräfte unter Kontrolle des afghanischen Verteidigungsministeriums, der Rest waren Polizisten und anderes Sicherheitspersonal. Von den Soldaten wiederum waren demnach kaum 60 Prozent für den Kampf ausgebildet.
Die Gehälter der afghanischen Soldaten wurden jahrelang vom US-Verteidigungsministerium bezahlt. Doch nach der US-Ankündigung des Abzugs der eigenen Truppen im April ging dies auf die Regierung in Kabul über. Zahlreiche afghanische Soldaten beschwerten sich in den Online-Netzwerken darüber, dass sie seit Monaten keinen Lohn bekommen hätten. Und in vielen Fällen hätten ihre Einheiten auch kein Essen mehr oder sonstige Unterstützung bekommen - nicht einmal Munition. Der rasche US-Truppenabzug gab ihnen den Rest.
Rund 20 Jahre investieren die USA eine Milliardensumme in die afghanische Armee. Doch nach dem Abzug der internationalen Truppen können die Taliban das Land innerhalb weniger Wochen erobern. Dabei wird auch deutlich, welche eklatanten Fehler beim Aufbau der afghanischen Streitkräfte gemacht wurden.
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