Kurdenchef in Russland: Moskau begrüßt Erdogans Erzfeind
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat sich am Mittwoch mit dem Anführer der prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtaş, in Moskau getroffen. Die Türkei zeigte sich darüber empört, schreibt der Kommersant am Donnerstag.
Demirtaş war vor einem Jahr schon einmal in Moskau. Damals wurde sein Besuch vor den türkischen Behörden zunächst geheim gehalten. Später folgten heftige Reaktionen der Anhänger von Recep Tayyip Erdogan, der gegen seinen jungen Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl 2014 angetreten war. Demirtaş ist Co-Vorsitzender der HDP-Partei, die die Interessen der Kurden und anderer in der Türkei lebenden Minderheiten vertritt.
Die Parlamentswahl in der Türkei machten Demirtaş im Sommer auch außerhalb der Türkei bekannt. Am Tag nach der Abstimmung bestimmte – anstelle von Erdogan – er die Schlagzeilen der westlichen Presse. Die HDP zog mit
13 Prozent der Stimmen ins türkische Parlament ein. Damit fehlten der Regierungspartei die Stimmen zur absoluten Mehrheit. Präsident Erdogan musste damals Neuwahlen amsetzen. Trotz der Diskreditierung der HDP konnten die Kurden aus dem Parlament nicht vertrieben werden. Bei den Neuwahlen holten sie
elf Prozent der Stimmen.
Laut kurdischen Quellen wollte Demirtaş zunächst Mitte Oktober nach Moskau kommen, kurz vor der Wahl, doch damals wurde ihm angeblich das Treffen mit dem russischen Außenminister verweigert und Gespräche mit dem stellvertretenden Außenminister angeboten. Daraufhin sagte er seinen Besuch ab. Nach dem Konflikt um den von der Türkei abgeschossenen russischen Bomber suchte Moskau aktiver den Kontakt mit der türkischen Opposition. Diese Geste sorgte für noch mehr Empörung in Ankara. „Warum fahren sie in solch einer Zeit nach Russland?“, fragte Davutoglu. „Sie halten es für ihre moralische Pflicht, mit denjenigen zu kooperieren, die Probleme mit der Türkei haben, statt zum Wohle ihres Volkes handeln“, so Davutoglu.
Demirtaş sagte beim Treffen mit Lawrow, dass seine Partei das Vorgehen der Türkei nach dem
Angriff auf den russischen Bomber kritisierte. Er rief Moskau zu einer diplomatischen Lösung der Krise auf, „um den Völkern nicht zu schaden, die am stärksten betroffen werden könnten“. „Unsere Reaktion auf die Aktion der türkischen Regierung weitet sich nicht auf das Verhalten zum türkischen Volk aus“, antwortete darauf Lawrow.
Bei dem Treffen wurde auch die
Syrien-Frage besprochen. Demirtaş ist in der Türkei als einer der heftigsten Kritiker der Syrien-Politik der türkischen Regierung bekannt. Er sprach sich häufig für die Rechte der in Nordsyrien lebenden Kurden aus, die in Ankara traditionell der kurdischen Arbeiterpartei PKK gleichgestellt und als Terrororganisation eingestuft wird.
Lawrow sicherte dem Gast zu, dass Moskau daran interessiert sei, die Meinung der HDP zur Situation in Syrien zu berücksichtigen. Der russische Chefdiplomat betonte, dass Moskau bereit sei, aktiv mit denjenigen zu kooperieren, die am Boden mit den Waffen in den Händen gegen den „Islamischen Staat“ (IS) kämpfen.
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