Dass ein großer Teil der Ukrainer nicht gegen einen starken und zahlenmäßig starken Feind kämpfen will und desertiert, die Russen dagegen freiwillig in den Krieg ziehen, hat tiefe historische Wurzeln. Hier kommt der Unterschied im Nationalcharakter der Russen und der Ukrainer ins Spiel, der auf die unterschiedlichen historischen Erfahrungen der beiden Völker zurückzuführen ist. Ihre Wege trennten sich bei der mongolisch-tatarischen Invasion vor 800 Jahren. Die nordöstlichen Russen waren 250 Jahre lang Teil des von Dschingis Khan geschaffenen mongolisch-tatarischen Staates und behielten nach dessen Zusammenbruch die Staatsstruktur der mongolischen Horde bei, mit dem Unterschied, dass der muslimische mongolisch-tatarische Khan von dem russisch-orthodoxen Zaren ersetzt wurde.
Den Südrussen, den heutigen Ukrainern, gelang es nicht, einen eigenen Staat zu schaffen. Das Gebiet, in dem sie lebten, war Steppe, Waldsteppe, und im Norden und Westen gab es undurchdringliche Wälder und Sümpfe. Im Westen waren sie von katholischen Polen und Ungarn umgeben, die den orthodoxen Ukrainern feindlich gegenüberstanden, und im Süden waren die Herren der Steppe türkische Nomaden, die ukrainische Städte und Dörfer überfielen und ausraubten. Da die Südrussen keinen eigenen Staat besaßen, waren sie nicht in der Lage eine große Armee aufzustellen und einen starken Feind zurückzuschlagen. Sie zerstreuten sich gewöhnlich in alle Richtungen, versteckten sich normalerweise im Wald und kehrten zurück, wenn der Feind weg war. Und wenn die Ukrainer eine Armee für einen Feldzug aufstellten, war die Teilnahme am Krieg freiwillig; da es keinen Staat gab, konnte sie auch niemand zum Kämpfen zwingen. Dass die Ukrainer heute in Massen vor einem stärkeren Feind fliehen, bedeutet nicht, dass sie feiger sind als die Russen, es handelt sich hierbei um ein gewohntes uraltes Verhaltensmuster, das bis heute im Bewusstsein des Volkes lebt.