| Da ihr noch die schöne Welt regiertet,
an der Freude leichtem Gängelband
glücklichere Menschenalter führtet,
schöne Wesen aus dem Fabelland!
Ach! da euer Wonnedienst noch glänzte
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wie ganz anders, anders war es da!
Da man deine Tempel noch bekränzte,
Venus Amathusia!
Da der Dichtkunst mahlerische Hülle
sich noch lieblich um die Wahrheit wand! – | |
Durch die Schöpfung floß da Lebensfülle,
und, was nie empfinden wird, empfand.
An der Liebe Busen sie zu drücken,
gab man höhern Adel der Natur.
Alles wies den eingeweyhten Blicken | |
alles eines Gottes Spur.
[251] Wo jezt nur, wie unsre Weisen sagen,
seelenlos ein Feuerball sich dreht,
lenkte damals seinen goldnen Wagen
Helios in stiller Majestät. | |
Diese Höhen füllten Oreaden,
eine Dryas starb mit jenem Baum,
aus den Urnen lieblicher Najaden
sprang der Ströme Silberschaum.
Jener Lorbeer wand sich einst um Hilfe (1) | |
Tantals Tochter (2) schweigt in diesem Stein,
Syrinx Klage tönt' aus jenem Schilfe,
Philomelens Schmerz in diesem Hayn.
Jener Bach empfieng Demeters Zähre,
die sie um Persephonen geweint, | |
und von diesem Hügel rief Cythere
ach vergebens! ihrem schönen Freund.
Zu Deukalions Geschlechte stiegen
damals noch die Himmlischen herab,
Pyrrha's schöne Töchter zu besiegen, | |
nahm Hyperion den Hirtenstab.
[252] Zwischen Menschen, Göttern und Heroen
knüpfte Amor einen schönen Bund.
Sterbliche mit Göttern und Heroen
huldigten in Amathunt. | |
Betend an der Grazien Altären
kniete da die holde Priesterinn,
sandte stille Wünsche an Cytheren
und Gelübde an die Charitinn.
Hoher Stolz, auch droben zu gebieten, | |
lehrte sie den göttergleichen Rang,
und des Reizes heilgen Gürtel hüten,
der den Donn'rer selbst bezwang.
Himmlisch und unsterblich war das Feuer,
das in Pindars stolzen Hymnen floß, | |
niederströmte in Arions Leier,
in den Stein des Phidias sich goß.
Beßre Wesen, edlere Gestalten
kündigten die hohe Abkunft an.
Götter, die vom Himmel niederwallten, | |
sahen hier ihn wieder aufgethan.
[253] Werther war von eines Gottes Güte
theurer jede Gabe der Natur.
Unter Iris schönem Bogen blühte
reizender die perlenvolle Flur. | |
Prangender erschien die Morgenröthe
in Himerens rosigtem Gewand,
schmelzender erklang die Flöte
in des Hirtengottes Hand.
Liebenswerther mahlte sich die Jugend, | |
blühender in Ganymeda's (*) Bild,
heldenkühner göttlicher die Tugend
mit Tritoniens Medusenschild.
Sanfter war, da Hymen es noch knüpfte,
heiliger der Herzen ew'ges Band. | |
Selbst des Lebens zarter Faden schlüpfte
weicher durch der Parzen Hand.
Das Evoe muntrer Thyrsusschwinger,
und der Panther prächtiges Gespann
meldeten den großen Freudebringer. | |
Faun und Satyr taumeln ihm voran,
[254] um ihn springen rasende Mänaden,
ihre Tänze loben seinen Wein,
und die Wangen des Bewirthers laden
lustig zu dem Becher ein. | |
Höher war der Gabe Werth gestiegen,
die der Geber freundlich mit genoß,
näher war der Schöpfer dem Vergnügen,
das im Busen des Geschöpfes floß.
Nennt der Meinige sich dem Verstande? | |
Birgt ihn etwa der Gewölke Zelt?
Mühsam späh' ich im Ideenlande,
fruchtlos in der Sinnenwelt.
Eure Tempel lachten gleich Pallästen,
euch verherrlichte das Heldenspiel | |
an des Isthmus kronenreichen Festen,
und die Wagen donnerten zum Ziel.
Schön geschlungne seelenvolle Tänze
kreisten um den prangenden Altar,
eure Schläfe schmückten Siegeskränze, | |
Kronen euer duftend Haar.
[255] Seiner Güter schenkte man das Beste,
seiner Lämmer liebstes gab der Hirt,
und der Freudetaumel seiner Gäste
lohnte dem erhabnen Wirth. | |
Wohin tret ich? Diese traurge Stille
kündigt sie mir meinen Schöpfer an?
Finster, wie er selbst, ist seine Hülle,
mein Entsagen – was ihn feiern kann.
Damals trat kein gräßliches Gerippe | |
vor das Bett des Sterbenden. Ein Kuß
nahm das lezte Leben von der Lippe,
still und traurig senkt' ein Genius
seine Fackel. Schöne lichte Bilder
scherzten auch um die Nothwendigkeit, | |
und das ernste Schicksal blickte milder
durch den Schleyer sanfter Menschlichkeit.
Nach der Geister schrecklichen Gesetzen
richtete kein heiliger Barbar,
dessen Augen Thränen nie benetzen, | |
zarte Wesen, die ein Weib gebahr.
[256] Selbst des Orkus strenge Richterwaage
hielt der Enkel einer Sterblichen,
und des Thrakers seelenvolle Klage
rührte die Erinnyen. | |
Seine Freuden traf der frohe Schatten
in Elysiens Haynen wieder an;
Treue Liebe fand den treuen Gatten
und der Wagenlenker seine Bahn;
Orpheus Spiel tönt die gewohnten Lieder | |
in Alcestens Arme sinkt Admet,
seinen Freund erkennt Orestes wieder,
seine Waffen Philoktet.
Aber ohne Wiederkehr verloren
bleibt, was ich auf dieser Welt verließ, | |
jede Wonne hab ich abgeschworen,
alle Bande die ich selig prieß.
Fremde, nie verstandene Entzücken
schaudern mich aus jenen Welten an,
und für Freuden, die mich jetzt beglücken, | |
tausch' ich neue, die ich missen kann.
[257] Höh're Preise stärkten da den Ringer
auf der Tugend arbeitvoller Bahn:
Großer Thaten herrliche Vollbringer
klimmten zu den Seligen hinan; | |
Vor dem Wiederforderer der Todten *)
neigte sich der Götter stille Schaar.
Durch die Fluthen leuchtet dem Piloten
vom Olymp das Zwillingspaar.
Schöne Welt, wo bist du? – Kehre wieder, | |
holdes Blüthenalter der Natur!
Ach! nur in dem Feenland der Lieder
lebt noch deine goldne Spur.
Ausgestorben trauert das Gefilde,
keine Gottheit zeigt sich meinem Blik, | |
Ach! von jenem lebenwarmen Bilde
blieb nur das Gerippe mir zurück.
Alle jene Blüthen sind gefallen
von des Nordes winterlichem Wehn.
Einen zu bereichern, unter allen, | |
mußte diese Götterwelt vergehn.
[258] Traurig such ich an dem Sternenbogen,
dich, Selene, find ich dort nicht mehr;
Durch die Wälder ruf ich, durch die Wogen,
ach! sie wiederhallen leer!
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Unbewußt der Freuden, die sie schenket,
nie entzückt von ihrer Treflichkeit,
nie gewahr des Armes, der sie lenket,
reicher nie durch meine Dankbarkeit,
fühllos selbst für ihres Künstlers Ehre, | |
gleich dem todten Schlag der Pendeluhr,
dient sie knechtisch dem Gesetz der Schwere
die entgötterte Natur!
Morgen wieder neu sich zu entbinden,
wühlt sie heute sich ihr eignes Grab, | |
und an ewig gleicher Spindel winden
sich von selbst die Monde auf und ab.
Müßig kehrten zu dem Dichterlande
heim die Götter, unnütz einer Welt
die, entwachsen ihrem Gängelbande, | |
sich durch eignes Schweben hält.
[259] Freundlos, ohne Bruder, ohne Gleichen,
keiner Göttinn, keiner Irrd'schen Sohn,
Herrscht ein Andrer in des Aethers Reichen
auf Saturnus umgestürztem Thron. | |
Selig, eh sich Wesen um ihn freuten,
selig im entvölkerten Gefild,
sieht er in dem langen Strom der Zeiten
ewig nur – sein eignes Bild.
Bürger des Olymps konnt' ich erreichen, | |
jenem Gotte, den sein Marmor preißt,
konnte einst der hohe Bildner gleichen;
Was ist neben Dir der höchste Geist
derer, welche Sterbliche gebohren?
Nur der Würmer Erster, Edelster. | |
Da die Götter menschlicher noch waren,
waren Menschen göttlicher.
Dessen Stralen mich darnieder schlagen,
Werk und Schöpfer des Verstandes! dir
nach zu ringen, gib mir Flügel, Waagen | |
dich zu wägen – oder nimm von mir
[260] nimm die ernste strenge Göttin wieder,
die den Spiegel blendend vor mir hält;
Ihre sanft're Schwester sende nieder,
spare jene für die andre Welt. | |