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FPÖ (Un)Wahrheiten, Hetze und Märchen

Soviel zu Kickls Meinungs- und Pressefreiheit. versteht aber eure Wenigkeit nicht, weil ein cerebral entkernter Bildungsneuling
Kanzler Kickl als Corona-Kollateralschaden
Journalist Gernot Bauer und FPÖ-Publizist Andreas Mölzer im Doppelinterview in der "ZiB 2"

Auf dem Weg zu einer Regierung unter blauer Führung entfaltet sich in Sachen Pressefreiheit offenbar bereits ein neuer Stil: Zum Statement Herbert Kickls vor der Presse, in dessen Rahmen der FPÖ-Chef Dienstagnachmittag seine Verhandlungsbereitschaft mit der ÖVP bekundete, seien Journalisten des Nachrichtenmagazins Profil und der französischen Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP) nicht zugelassen worden, hieß es im ZiB 2-Beitrag über den Auftritt.

Dieser Affront war im darauffolgenden Doppelinterview Armin Wolfs mit dem Profil-Journalisten und kritischen Kickl-Biografen Gernot Bauer sowie dem FPÖ-Publizisten Andreas Mölzer dann aber kein Thema. Vielmehr plätscherte dieses Gespräch so dahin, professionell und scheinbar harmlos. Wer die gegensätzlichen Zugänge der beiden Diskutanten zur blauen Nummer eins und den Gefahren ihrer Politik mitbekommen wollte, musste genau zuhören.



 
Der Personalpool der FPÖ für Ministerämter
Die Freiheitlichen sind drauf und dran, mit Herbert Kickl erstmals in ihrer Geschichte den Kanzler zu stellen. Doch wie könnte seine Regierungsmannschaft aussehen?

Nationalratswahl haushoch gewonnen, Verhandlungen zu einer Dreierkoalition kolossal gescheitert, den Auftrag zur Regierungsbildung in der Tasche und einen willigen Juniorpartner: Das sind in aller Kürze zusammengefasst die Entwicklungen der vergangenen Tage, Wochen und Monate, die Herbert Kickl und seiner FPÖ nun den Weg ins Kanzleramt bereiten. Fragt sich nur noch, wie seine Regierungsmannschaft aussehen könnte und welche Ministerien die FPÖ in blauer Hand sehen möchte. Ein Überblick.

Allen voran gelten einmal Kickls Generalsekretäre, Christian Hafenecker und Michael Schnedlitz, als Ministerkandidaten. Die beiden Niederösterreicher kämen für das Innenministerium infrage, Hafenecker außerdem für das Verkehrsressort. Für ein Ministeramt würde wohl auch der regierungserfahrene Hubert Fuchs taugen – der Abgeordnete war bereits unter Türkis-Blau Staatssekretär im Finanzministerium.

 
Lieber ein Pferd als Kanzler! Oder doch Sebastian Kurz? Autoren zur FPÖ
In der "Süddeutschen Zeitung" vergleicht Elias Hirschl die FPÖ mit Axtmördern, in der "Welt" erklärt Joachim Lottmann Sebastian Kurz zur einzigen Hoffnung

Immerhin an der Ästhetik des Maria-Theresien-Zimmers und dem Gemeinschaftlichen und Ritualhaften dieser Termine in der Präsidentschaftskanzlei kann Elias Hirschl sich irgendwie erfreuen. Den Missmut über den jüngsten Schwenk bei den heimischen Koalitionsverhandlungen hintanzuhalten ist sonst aber nicht Ziel des Beitrags, in dem der Autor dem Publikum der Süddeutschen Zeitung nun den Stand der Politik hierzulande erklärt. Seit seinem Roman Salonfähig über das Mindset des Menschenschlags Sebastian Kurz und neue ÖVP gilt er den Nachbarn als beredter Kommentator unserer Verhältnisse. Launig und mit Denkzettel für die hiesige Öffentlichkeit tut er es auch diesmal: "Gibt es (...) fünf weitere Jahre Hölle? Oder eher nur drei, weil wegen irgendeinem Scheißdreck sicher wieder irgendjemand irgendwas Illegales auf einem Video macht, und dann reden wir alle ein paar Wochen darüber, vergessen es, und der ganze Zirkus geht wieder von vorne los."

Offenkundig war Hirschl am Montag, dem Tag des jüngsten Gesprächs zwischen FPÖ-Chef Herbert Kickl und Bundespräsident Alexander Van der Bellen, vor der Hofburg. Er wurde dort Zeuge vorfahrender Pferdetransporter – es sind wohl nur die Lipizzaner der Hofreitschule, doch der Gedanke an Kickls einstige Innenministerpläne zur berittenen Polizei und dass Kickl als "Anführer der vier apokalyptischen Reiter auf dem Pferd thronend in die Hofburg einzieht, um seinen präsidialen Auftrag auf dem hohen Ross entgegenzunehmen", kommt dem Autor auch. Bedauerlicherweise werde aber keines dieser Pferde Kanzler werden: "Obwohl das Pferd sicher keinen Sozialabbau betreiben würde. Das Pferd würde keine Kunst- und Kulturförderungen streichen. Das Pferd würde nicht versuchen, Abtreibungen zu verbieten. Ein Pferd würde keine arbeitslosen Menschen verteufeln oder schutzbedürftige Menschen aus dem Land werfen."

 
Herbert Kickl ist genau so
Er droht der ÖVP, sie sollte nicht überrascht sein

Klingt so ein ehrliches Angebot zur Zusammenarbeit?

"Besorgte Bürger, die es gut mit Österreich meinen, fragen mich, ob man dieser ÖVP vertrauen kann. Ich denke, dass diese Skepsis der Menschen begründet ist. (...) Ein neues Wording oder eine neue verbale Positionierung mir gegenüber reicht nicht aus. Dazu gehört ein Bewusstsein, wer die Wahlen gewonnen und wer sie verloren hat. Das war ja nicht immer allen klar, auch in der ÖVP. (...) Ansonsten gibt es Neuwahlen."

Das ist eine Aufforderung zur Unterwerfung. Wir haben gewonnen, ihr dürft euch in den Staub werfen. Das hat natürlich in der ÖVP und ihr nahestehenden (Wirtschafts-)Kreisen Konsternierung ausgelöst.

Aber, liebe Leute, Kickl ist so. Das ist keine bloße Einschüchterungstaktik, oder nicht nur. Das kommt aus den Tiefen seiner Persönlichkeit. Er ist sehr intelligent, belesen. Mit Sicherheit kennt er den Redestil des großen NS-Propagandachefs Joseph Goebbels. Seine Rhetorik, sein Tonfall, dieser Wechsel zwischen Pathos und blanker Aggression, der dramatische Singsang, mutet oft wie eine Parodie dessen an. Kickl läuft zur großen Form auf, wenn er Verhöhnung und Drohung einsetzen kann. Er denkt im Freund-Feind-Schema. Er will unterwerfen, nicht kooperieren. Kickl will nicht nur gewinnen, er will die Nase des anderen auch in den Dreck drücken.

Zusammenarbeit mit Kickl? Viel Glück. (Hans Rauscher, 8.1.2025)

 
Nazis an der Macht?
In aufgeregten Momenten wie diesem empfiehlt es sich, durchzuatmen und Fakten vor Mutmaßungen zu stellen. Also: Ist Kickl, 56 Jahre alt, gebürtig aus Villach, Studienabbrecher, ehemaliger Redenschreiber Jörg Haiders, später Parteikarrierist und Innenminister, verwickelt in mehrere Affären und unrühmlich entlassen, dann Spitzenkandidat der FPÖ und mit ihr Sieger der Nationalratswahl im September, ist dieser Mann ein neuer Nazi?
Nein, ist er nicht. Weder ist bekannt, dass Herr Kickl die Demokratie abschaffen noch dass er einzelne Bevölkerungsgruppen ausrotten oder andere Länder unterjochen will. Mit dieser Feststellung enden die beruhigenden Gewissheiten aber schon. Mit Worten und Taten hat der Mann sich in den vergangenen Jahren am äußersten rechten Rand positioniert:

Er vertrat ernsthaft die Ansicht, dass "das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht".
Er prägte die Parole "Mehr Mut für unser Wiener Blut – zu viel Fremdes tut niemandem gut!"
Er trat bei einem rechtsextremen Kongress als Redner auf und sympathisierte mit der "Identitären" Bewegung.
Er bezeichnete es als "Unsinn", Hitlers Waffen-SS kollektiv schuldig zu sprechen.
Unter seiner Führung verunglimpfte die FPÖ die Weltgesundheitsorganisation und warf dieser während der Pandemie eine "Gesundheitsdiktatur" vor.
Gleichzeitig biederte sich die Partei Kremlchef Putin an, lehnte ein Ölembargo gegen Russland und Waffenlieferungen an die Ukraine ab.

Kickl ist kein Nazi, aber ein Nationalist und Populist, ein Geschichtsklitterer und Rechtsstaatsverächter. Das genügt, um ihn zu einer verdächtigen Person und seine anstehende Regierungsübernahme zu einer gefährlichen Angelegenheit für Europas ohnehin gestresste Demokratien zu machen. Vor allem die Spitzenpolitiker deutscher Mitte-Parteien sollten im Bundestagswahlkampf Lehren aus dem österreichischen Menetekel ziehen. Allerdings nicht so holzschnittartig, wie es nun einige Medien nahelegen. In manchen Kommentaren wird ein bemerkenswerter Vergleich gezogen: Kickl als Regierungschef – das ist doch so, als würde der Deutsche Bundestag Björn Höcke zum Bundeskanzler wählen!

 
Ist das so? Politikwissenschaftler im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) haben AfD und FPÖ kürzlich in einer Studie verglichen. Sie kommen zu dem Schluss: Die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Parteien sind deutlich größer als die Unterschiede. Sie schreiben: "Beide Parteien zeigen eine offene Affinität für rechts-autoritäre Regierungen anderer Staaten sowie eindeutige personelle Überschneidungen mit dem rechtsextremen Milieu." Und weiter: "Die Wähler beider Parteien teilen eine im nationalen Vergleich kritische Einstellung zu Migration und europäischer Integration, haben geringere Bedenken bezüglich des Klimawandels und eine höhere Populismusaffinität."

Auch die Feindbilder und die Allianzen ähneln sich: Verteufelung der EU und Verachtung demokratischer Institutionen, Diffamierung von Migranten und Nähe zu Diktatoren wie Putin. Zudem gibt es personelle Überschneidungen mit rechtsextremen Gruppen. Ziemlich viele Parallelen, stimmt schon.

Einen gewichtigen Unterschied jedoch gibt es auch – das ist der Umgang mit den beiden Parteien. Die Autoren der KAS-Studie beschreiben ihn so: "Während die AfD trotz immer größerer Zustimmung an den Wahlurnen, vor allem im Osten Deutschlands, nach wie vor von jeder Regierungsbildung ausgeschlossen wird, kann die FPÖ auf mittlerweile jahrzehntelange Beteiligung an Landes- und Bundesregierungen zurückblicken. An all das, was im deutschen Diskurs rund um die AfD nach wie vor für helle Aufregung sorgt, hat man sich in Österreich weitgehend gewöhnt."

 
Netzfundstück:
Lieber am Oarsch an fetten Pickel,
als ÖVP und Pferdbert Kickl!

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