Türkische Vergeltung gegen Syrien
Erdogans Spiel mit dem Feuer
Von Jürgen Gottschlich, Istanbul
Gibt es Krieg mit Syrien? Die meisten Türken lehnen das ab, doch Premier Erdogan agiert selbstbewusst gegen Assads Regime, drängt auch den Westen zu mehr Engagement. Sein Kalkül: Nach einem Sturz des Despoten von Damaskus dürfte er selber eine noch wichtigere Rolle in Nahost spielen.
Die Türkei ist aber auch schon längst in den Krieg gegen Assad involviert: Die Freie Syrische Armee (FSA) agiert von türkischem Territorium aus, es soll Ausbildungslager für syrische Deserteure geben, und auch der Waffennachschub für die Rebellen geht teilweise über die Türkei. Assads Regime wirft Ankara außerdem vor, Dschihadisten aus Libyen, Pakistan und anderen Regionen unbehindert nach Syrien einreisen zu lassen.
Ankara setzt schon seit rund einem Jahr offen auf einen Sturz Assads. Dabei geht es natürlich nicht nur um humanitäre Aspekte oder die selbstlose Unterstützung einer angeblich demokratischen Aufstandsbewegung. Es geht vor allem um die Chance, den türkischen Einfluss im Nahen Osten auszubauen, wenn in Damaskus eine Regierung mit Unterstützung Ankaras an die Macht kommen sollte. Wie Saudi-Arabien und Katar setzt die islamische Regierung von Erdogan auf den Erfolg der sunnitischen Opposition gegen das alawitische Regime von Assad. Der Versuch, sich selbst als Führungsmacht in einem sunnitisch dominierten Nahen Osten zu etablieren, wurde zuletzt auf dem Parteitag von Erdogans AKP deutlich: Neben dem sunnitischen Führer aus dem Irak, Tarik al-Haschemi, traten auch Hamas-Anführer Chalid Maschaal und der neue ägyptische Präsident Mohammed Mursi auf...