Völkermörder als Volkshelden
Aber auch wenn die Politik eine solche Institution wie ein Kriegsverbrechertribunal anerkennt, muss sich diese Anerkennung nicht zwangsläufig in den Gesellschaften niederschlagen.
Das politische Serbien heute funktioniert seit geraumer Zeit unter dem ehemaligen, angeblich jetzt geläuterten Kriegstreiber Aleksandar Vučić als restauriertes Milošević-Regime. Wer in der Öffentlichkeit vom „Genozid in Srebrenica“ spricht, wird zum Verräter erklärt. Den wegen Völkermords in Bosnien-Herzegowina durch das Haager Berufungsgericht verurteilten Ratko Mladić sieht man in Serbien nicht als Kriegsverbrecher an, sondern feiert ihn als Helden. Das entsprechende Narrativ dazu lautet, er habe die „Serben vor einem Genozid“ bewahrt.
Nach diesem Schema läuft es offenbar auch in Russland ab, wenn die Schlächter von Buča als Helden mit Orden ausgezeichnet werden. Solange Putin die Geschicke des Landes (und darüber hinaus) bestimmt, wird das Verkehren der Wahrheit in das propagandistische Gegenteil nicht aufhören. Dasselbe gilt für Aleksandar Vučić, seinen Verehrer aus Serbien, der seit zehn Jahren eine Fortsetzung des Systems Milošević samt dazugehörigen Lügen in leicht abgewandelter Form betreibt. Aber im Fall Serbien bzw. seinen (angeblichen) EU-Ambitionen, herrscht in der EU noch immer der Wille zur Illusion vor, was zu einer merkwürdigen kontrafaktischen Politik führt – zum Nachteil der Nachbarländer Serbiens.
Eine Ethnisierung des Diskurses, aus der Luft gegriffene Genozidvorwürfe, wechselnde Leugnungen und Rechtfertigungen für die eigenen Kriegsverbrechen: All das ist nicht neu. Dunja Melčić analysiert die Parallelen zwischen russischem und serbischem Kriegsdiskurs in den 1990er Jahren und heute.
geschichtedergegenwart.ch